Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Versendescheine — Versetzung (einstweilige) in den Ruhestand 
einen Entmündigungsgrund (s. Entmündi- 
gung). Sodann hat sie teils mit, teils ohne 
Entmündigung verschiedene besondere Nachteile 
zur Folge. Nach 5§ 1468 Ziff. 4, 1542, 1549 BG. 
kann die Frau auf Aupfhebung der allgemeinen 
Gütergemeinschaft, der Errungenschafts= und 
Fahrnisgemeinschaft klagen, wenn der Mann 
wegen Verschwendung entmündigt ist oder das 
Gesamtgut durch Verschwendung erheblich ge- 
fährdet. Ebenso kann nach § 1495 Ziff. 4 ein an- 
teilsberechtigter Abkömmling gegen den über- 
lebenden Ehegatten auf Aufhebung der fort- 
gesetzten Gütergemeinschaft klagen, wenn dieser 
wegen Verschwendung entmündigt ist oder das 
Gesamtgut durch Verschwendung erheblich ge- 
fährdet; vgl. auch § 1509. Zum Vormunde oder 
zum Mitgliede des Familienrats darf nach 
§§ 1780 und 1865 nicht bestellt werden, wer 
wegen Verschwendung entmündigt ist; auch 
kann ein solcher Entmündigter kein Testament 
errichten, und zwar schon von der Stellung des 
Antrags an, auf Grund dessen die Entmündigung 
erfolgt (8 2229). Endlich kann ein Erblasser, 
wenn sich sein Abkömmling in solchem Maße der 
Verschwendung ergeben hat, daß sein späterer 
Erwerb erheblich gefährdet wird, dessen Pflicht- 
teilsrecht durch die Anordnung beschränken, daß 
nach dem Tode des Abkömmlings seine gesetz- 
lichen Erben das ihm Hinterlassene oder den ihm 
gebührenden Pflichtteil als Nacherben oder Nach- 
vermächtnisnehmer nach dem Verhältnisse ihrer 
gesetzlichen Erbteile erhalten sollen (sog. Ent- 
crbung in guter Absicht); auch kann er für die 
Lebenszeit des Abkömmlings die Verwaltung 
einem Testamentsvollstrecker übertragen, in wel- 
chem Falle der Abkömmling auf den jährlichen 
Reinertrag Anspruch hat. Diese Entziehung des 
Pflichtteils erfolgt durch letztwillige Verfügung. 
Ihr Grund muß bei deren Errichtung bestehen 
und in der Verfügung angegeben werden. Der 
Beweis des Grundes liegt demjenigen ob, wel- 
cher die Entziehung geltend macht. Die Anord- 
nungen des Erblassers sind unwirksam, wenn 
zur Zeit des Erbfalls der Abkömmling sich dau- 
ernd von dem verschwenderischen Leben ab- 
gewendet hat (§ 2338). Eine Begriffsbestimmung 
des V. ist im Gesetze nicht gegeben. Es gilt 
der Begriff des täglichen Lebens und der Er- 
fahrung. Danach sind zur Verschwendung wesent- 
lich größere Ausgaben oder Eingehung größerer 
Verbindlichkeiten, als zur Vermögenslage in 
angemessenem Verhältnisse stehen und nützlich 
sind, sowie ein ursächlicher Zusammenhang 
dieser übermäßigen, objektiv unwirtschaftlichen 
Aufwendungen mit persönlichen Eigenschaften, 
die einen Hang zu unvernünftigen, zweck- und 
nutzlosen (unwirtschaftlichen) Ausgaben erkennen 
lassen. Daß bereits eine beträchtliche Verminde- 
rung des Vermögens oder gar eine Überschuldung 
cingetreten ist, ist nicht erforderlich, wenn nur 
das Berhalten einen solchen Ausgang voraus- 
sehen läßt; auch eine krankhafte geistige Anlage 
und Erregung öffentlichen Argernisses brauchen. 
nicht vorhanden zu sein. 
Bersendescheine heißen 1. im Zollverkehr ge- 
wisse Ausweise für den Transport kontroll- 
Hflichtiger Waren im Grenzbezirk (s. Trans- 
p ortkontrolle): 2. im Steuerverkehr die 
Begleitscheine (s. d. III) für inländischen Tabak. 
  
  
845 
Versetzung (einstweilige) in den Nuhestand. 
I. Die einstweilige Versetzung in den Ruhestand, 
gemeinhin Zurdispositionsstellung genannt, kann 
bei unmittelbaren Staatsbeamten, mit Aus- 
nahme der Universitätslehrer (Disziplinargesetz 
vom 21. Juli 1852 — GES. 465 — § 96), infolge 
ihrer einstweiligen Entbehrlichkeit bei Umge- 
staltung von Behörden eintreten (V. vom 
14. Juni und 24. Okt. 1848 — GS. S. 153 u. 
338; vgl. auch LV. §§ 147 ff. und ASGGW. 
vom 24. April 1878 — GS. 230 — §F 104, 105). 
Außerdem können nach § 87 Ziff. 2 des Disziplinar- 
gesetzes vom 21. Juli 1852 durch kgl. Verordnung 
jederzeit die nachbenannten Beamten mit Ge- 
währung von Wartegeld einstweilig in den Ruhe- 
stand versetzt werden: Unterstaatssekretäre, Mini- 
sterialdirektoren, Oberpräsidenten, Regierungs- 
präsidenten, Militärintendanten, Beamte der 
Staatsanwaltschaft bei den Gerichten, Vor- 
steher kgl. Polizeibehörden, Landräte, die Ge- 
sandten und andere diplomatische Agenten, ferner 
nach § 2 der V. vom 29. Sept. 1908 (GS. 195) der 
Vorsitzende der Ansiedlungskommission. In den 
1866 neu erworbenen Landesteilen gilt das 
gleiche; die in Art. 6 der V. vom 23. Sept. 1867 
(GE. 1613) enthalten gewesene Ausdehnung der 
Befugnis auf andere Beamtenkategorien ist durch 
G. vom 14. Nov. 1904 (GS. 283) aufgehoben. 
Das Wartegeld beträgt bei Gehältern über 
3600 .K die Hälfte bis höchstens 6000 .K#. Für 
geringere Gehälter ist die der V. vom 24. Okt. 
1848 beigefügte Nachweisung maßgebend. Warte- 
geldempfänger behalten als solche Beamten- 
eigenschaft und bleiben infolgedessen auch dem 
Disziplinargesetze, sowie den übrigen, das Be- 
amtenverhältnis betreffenden Gesetzen unter- 
worfen (s. Beamte, allgemein). Das 
gilt insbesondere hinsichtlich der Ubernahme von 
Nebenämtern und Nebenbeschäftigungen (MéE. 
vom 27. Aug. 1903 — MBl. 191) und der Ver- 
setzung in ein anderes Amt. Dagegen bedürfen 
sie innerhalb Preußens keines Urlaubs und 
können nicht suspendiert werden. Sie sollen bei 
Wiederbesetzung erledigter Stellen, für welche 
sie sich eignen, vorzugsweise berücksichtigt wer- 
den (G. vom 21. Juli 1852 § 87). Das Warte- 
geld hat die rechtliche Natur der Besoldung und 
steht unter den für diese geltenden Rechtsgrund- 
sätzen. Wird ein Wartegeldempfänger wieder 
angestellt, und erreicht das Einkommen der 
verliehenen Stelle mindestens den Betrag seines 
früheren, der Berechnung des Wartegeldes zu- 
grunde gelegten Gehalts, so fällt der ganze Be- 
trag des Wartegeldes weg, andernfalls aber nur 
insoweit, als es nicht dem betreffenden Be- 
amten als Zuschuß zur Erfüllung seines früheren 
Einkommens belassen werden muß (Erl. vom 
21. Okt. 1848 — Ml. 337). Als Disziplinar- 
strafe kann die einstweilige V. in den Ruhestand 
nach § 46 des Disziplinargesetzes vom 21. Juli 
1852 vom Staatsministerium gegen unmittelbare 
Staatsbeamte verhängt werden, wenn die Ent- 
scheidung oder das Gutachten des Disziplinarhofs 
auf Freisprechung, Warnung oder Verweis 
lautet (s. Disziplinarverfahren II). 
II. Hinsichtlich der Reichsbeamten bestimmt der 
5 24 RBWG., daß jeder Reichsbeamte unter Be- 
willigung des gesetzlichen Wartegeldes einstweilig 
in den Ruhestand versetzt werden kann, wenn das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.