Verwaltungsstreitverfahren 867
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immer lediglich kassieren kann, also nach Auf= vg’. G. vom 14. Febr. (RGBl.
hebung der angefochtenen Entscheidung wegen § 44.
Rechtswidrigkeit die Verwaltung dementspre-, Die Einführung der Verwaltungsrechtspflege
chend anderweit zu entscheiden hat. In der in Preußen hat, nachdem eine mit dem G.,
Schweiz ist der Rechtszustand sehr verschieden- betr. die Erweiterung des Rechtswegs, vom
artig, teilweise recht eigenartig; im Bunde ist 24. Mai 1861 (G. 241) abschließende Periode
die Verwaltungsrechtspflege noch schwach ent- vorhergegangen war, in der man den in ein-
wickelt, mehr Bedeutung hat sie in den Kan= zelnen Fällen besonders erheblichen Bedenken
tonen. In Deutschland ist die Verwaltungs= gegen das bloße Verwaltungsverfahren dadurch
gerichtsbarkeit zuerst für Baden sowie ferner abzuhelfen suchte, daß man an seine Stelle
außer für Preußen noch für Hessen, Württem= den Zivilprozeß setzte, mit der Kr O. vom 13. Dez.
berg, Bayern, Anhalt, Braunschweig, Sachsen= 1872 (GS. 661) begonnen, welche für einc An-
Meiningen, Koburg-Gotha, Lippe, das König= zahl von Angelegenheiten ein kontradiktorisches
reich Sachsen, für welches übrigens schon lange Verfahren vor Verwaltungsgerichten einführte.
vorher ein allmählich fast ganz außer Übung Die Neuerung wurde fortgesetzt durch das G.,
gekommenes V. gegolten hatte, und Oldenburg, betr. die Verfassung der Verwaltungsgerichte
einge führt, teilweise nachträglich bereits nicht und das Verwaltungsstreitverfahren, vom 3. Juli
unerheblich umgestaltet worden. Für die Thü= 1875 (GS. 375), das sog. Verwaltungsgerichts-
ringischen Staaten ist die Erric tung eines ge= gesetz, welches das von der übrigen Verwaltung
meinschaftlicken Verwaltungsgerichtshofs im vollständig getrennte Oberverwaltungsgericht
Gange. Auch für Hamburg wird die Einfülrung schuf, und durch das G., betr. die Zuständigkeit
der Verwaltungsgerichts barkeit geplant. In Hessen der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungs-
wird an einer Anderung des jetzigen V. gearbeitet. gerichtsbehörden, vom 26. Juli 1876 (G S. 297),
Außerdem haben sich in Elsaß-Lothringen die eigen- das sog. Zuständigkeitsgesetz, welches umfassend
artigen Einrichtungen der französischen Verwal= bestimmte, was nunmehr streitige Verwaltungs-
tungsrechtspflege in freilich nicht unwesentlich ver= sache sei. Es folgten das G. über die Orga-
änderter Art erhalten. Die Ausgestaltung ist nisation der allgemeinen Landesverwaltung vom
dabei sehr verschieden, indem man teilweise 26. Juli 1880 (G S. 291), das sog. Organisations-
mehr dem österreichischen Systeme: bloß eine gesetz, mit zahlreichen, die Verwaltungsrechts-
Kassationsinstanz, aber allgemeine Zuständigkeit flege betreffenden Bestimmungen und das G.
derselben, teilweise mehr dem nachstehend näher zur Abänderung und Ergänzung des G., betr.
dargestellten preuß. Systeme: Gliederung in die Verfassung der Verwaltungsgerichte und
von unten herauf geordneten Instanzen mit das Verwaltungsstreitverfahren, vom 3. Juli
einer Revisions= (nicht Kassations-) Instanz, da-1875 (GS. 375) und Einführung desselben in
gegen Zuständigkeit nur für die einzeln auf-- dem gesamten Umfang der Monarchie, vom
gezählten Sachen, gefolgt ist. Noeben dieser 2. Aug. 1880 (GES. 315). Der Abschluß fand
landesgesetzlichen, unter sich verschiedenen be= durch das G. über die allgemeine Landes-
steht noch eine reichsrechtlich geordnete, somit verwaltung vom 30. Juli 1883 (GE. 195), das
für ganz Deutschland einheitliche Verwaltungs= sog. Landesverwaltungsgesetz, statt, welches na-
gerichtsbarkeit in einer Reihe von Angelegen- mentlich den bisherigen Bezirksrat und das Be-
heiten. In letzterer Weise sind als Verwal= zirksverwaltungsgericht zum Bezirksausschuß ver-
tungsgerichte tätig außer dem Bundesrat einigte und die Einheitlichkeit des Behörden-
in den Verwaltungsstreitsachen für die Kon- organismus in der Mittelinstanz wiederherstellte,
sulargerichtsbezirke und die Schutzgebiete und neben welches als neues Zuständigkeits-
(Konse, G. vom 7. April 1900 — RGl. gesetz das G. über die Zuständigkeit der Ver-
213 — 23 Abs. 2; SchutzgebGS. vom waltungs= und Verwaltungsgerichtsbehörden vom
10. Sept. 1900 — RGl. 813 — § 3), der /1. Aug. 1883 (G. 237) trat (vgl. Allge-
Reichsrayonkommission, dem ver-meine Landesverwaltung und Zu-
stärlten Reichseisenbahnamte, ständigkeitsgesetz). Demnächst sind noch
dem Obersecamt und den Seeämtern jrrgangen das G. zur Abänderung des § 29
und den Prisengerich:en, sofern deesen des G. vom 3. Juli 1875/2. Aug. 1880, vom
die Eigenschaft als Verwaltungsgerichte bei- Mai 1888 (GS. 226), das G., betr. das
zulegen ist, das Bundesamt für 1 Disziplinarverfahren bei dem Oberverwaltungs-
das Heimatwesen in Armenstreitig- gericht, vom 8. Mai 1889 (GS. 107) und das G.
keiten, die Schiedsgerichte für die zur Abänderung der §§ 21—30 des G. vom
Arbeiterversicherung und das Reichs- l 3. Juli 1875/2. Aug. 1880 vom 26. März 1893
versicherungsamt in strreitigen Unsall-= (GE. 60).
und Invalidenversicherungssachen, das Pa- Neben den hiernach geltenden V. bestehen in
tentamt in Streitigkeiten darüber, ob ein Preußen als besondere Arten von V. noch das
Erfinderrecht besteht oder eine Ersindung frei) vor den Generalkommissionen und dem Ober-
ist oder frei werden soll, das Kais. Auf-- landeskulturgericht und das vor den Schieds-
sichtsamt für Privatversicherung
in den Fällen der §§ 73—75 des G. vom 12. Mai
1901 (Röl. 139) und die Berufungs-
kommission nach dem Kalisalzgesetz vom
25. Mai 1910 (REl. 775) und den Ausfüh-
rungsbestimmungen vom 9. Juli 1910 (Rll.
925) (s. die betreffenden Artikell. Wegen des
V. bei Streitigkeiten über die Zuwachssteuer
gerichten zur Entscheidung von Knappschafts-
ange legenheiten und vor dem Oberschiedsgericht
in Knappschaftsangelegenheiten, sowie das vor
den Behörden zur Entscheidung von Kompetenz-
konflikten und Konflikten, falls auch diese Be-
hörden als Verwaltungsgerichte anzusehen sind.
(s. die betreffenden Artikel).
II. Begriff. Das V.
in seiner jetzigen,
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