Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Wege (öffentliche) 
24. Nov. 1879 in Gruchots Beitr. 24, 508). Dieser 
Gemeingebrauch findet, abgesehen von 
besonderen gesetzlichen Vorschriften (vgl. Wege- 
verordnung für Schleswig-Holstein §§ 7, 222, 
wonach die Nebenwege unter gewissen Voraus- 
setzungen für den Frachtenverkehr überhaupt ge- 
sperrt sind), seine Begrenzung in dem Mitbe- 
nutzungsrechte der anderen und in der der be- 
sonderen Bestimmung der W. angepaßten Art 
ihrer technischen Herstellung. Danach hat also ein 
jeder ein Benutzungsrecht nur unbeschadet des 
gleichen Rechts aller anderen und des Anspruchs 
des Wegeunterhaltungspflichtigen auf Benutzung 
des W. entsprechend seiner technischen Einrich- 
tung. Jede Benutzung, die diese Grenzen über- 
schreitet oder besondere Veranstaltungen voraus- 
setzt, wenn sie unschädlich bleiben soll, liegt außer- 
halb des Gemeingebrauchs und kann daher nicht 
ohne weiteres in Anspruch genommen werden. 
Es ist vielmehr Sache der Verkehrs= und der 
Wegepolizei, im einzelnen Falle zu entscheiden, 
ob und unter welchen Voraussetzungen sie zu- 
gelassen werden kann. Außerdem bedarf es der 
Zustimmung des Wegebaupflichtigen und des 
etwa von diesem verschiedenen Wegeeigentümers 
(OV. 50, 284). Welcher Mittel man sich zur 
Bewältigung des Verkehrs bedient, hängt von 
der jeweiligen wirtschaftlichen und technischen 
Entwicklung ab. Erstere bringt es mit sich, daß 
die zu bewegenden Lasten nach der Menge nicht 
nur, sondern auch nach dem Gewicht wachsen, 
sowie daß im Personenverkehr auf schnellere Be- 
förderung Wert gelegt wird. Letztere macht zur 
Befriedigung der gesteigerten Ansprüche neue 
leistungsfähigere Mittel ausfindig. Sie vervoll- 
kommnet auf der einen Seite den Wegebau. Sie 
bietet auf der anderen verbesserte Mittel der 
Fortbewegung dar und gelangt so von der Fort- 
schaffung der Güter durch Menschenkraft in den 
primitiosten Verhältnissen schließlich zur Ein- 
führung der Maschine. Als solche kommen neben 
den auf Schienen laufenden Lokomotiven und 
Motorwagen zurzeit das Fahrrad und das Kraft- 
fahrzeug in seinen verschiedenen Formen (Per- 
sonen= und Lastautomobil, Straßenlokomotive, 
sog. gleislose Bahnen) in Frage. Neben der Ent- 
scheidung darüber, ob ein solches Verkehrsmittel 
vom Standpunkte des sonstigen Verkehrs zu- 
lässig ist und an welche Voraussetzungen etwaW 
im einzelnen Falle seine Zulassung zu knüpfen 
ist, bedarf es vom wegepolizeilichen Standpunkte 
der Feststellung, ob die betreffende Benutzung 
mit der baulichen Beschaffenheit des W. vereinbar 
ist. Für diese ist zwar an und für sich das Bedürf- 
nis des Verkehrs im obigen Sinne maßgebend 
und in diesem Umfange ist die Herstellung und 
Unterhaltung der öffentlichen W. ein Teil der 
Wegebaulast. Das Verkehrsbedürfnis kann aber 
nicht nach einer nur als Ausnahme eintretenden 
Benutzung oder nach besonders gearteten Ver- 
kehrsunternehmen einzelner Personen bemessen 
werden. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache, 
daß aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten die tech- 
nische Einrichtung der W. dem nach den örtlichen 
Verhältnissen erfahrungsmäßig bestehenden Ver- 
kehrsbedürfnis, nicht aber außerordentlichen An- 
forderungen angepaßt wird. Wie also die öffent- 
lichen W. nach ihrer allgemeinen Bestimmung 
als Fuß-, Reit= usw. Wege ihre besondere Ein- 
  
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richtung erhalten, so gelten auch für die Fahr- 
wege, je nachdem sie für einen größeren oder ge- 
ringeren Verkehr, für die Beförderung schwerer 
oder leichter Lasten bestimmt sind, hinsichtlich 
ihrer baulichen Einrichtung und Unterhaltung 
vielfach Normalien, die wiederum die Benutzung 
an gewisse Grenzen binden. Diese Normalien 
sind jedoch ihrer Natur nach nichts Feststehendes. 
Sie sind vielmehr dem Verkehrsbedürfnis an- 
zupassen und müssen die Benutzung neuer Ver- 
kehrsmittel, die sich eingebürgert haben und zu 
regelmäßigen Erscheinungen im öffentlichen Ver- 
kehr geworden sind, ermöglichen. Dies gilt na- 
mentlich hinsichtlich der für Kunststraßen (s. d.) 
bestehenden gesetzlichen und polizeilichen Vor- 
schriften, betreffend die Ladungsgewichte, die 
Felgenbreiten und die Beförderung unteil- 
barer schwerer Lasten. Sie müssen, sollen sie 
nicht verkehrshemmend wirken, sich entsprechend 
der dem Verkehrsbedürfnis folgenden baulichen 
Entwicklung des Wegebaus dem steigenden Be- 
dürfnis des Verkehrs anpassen. Dementsprechend 
ist der Begriff des Gemeingebrauchs 
kein absolut begrenzter. In seinen Rahmen fällt 
jede Benutzung eines öffentlichen W. für den 
öffentlichen Verkehr, die gemeinüblich und nach 
den geltenden, dem Verkehrsbedürfnis ange- 
paßten Vorschriften über den baulichen Zustand 
und die Benutzung der W. verträglich ist (OV G. 
50, 284). Ob dies der Fall, ist tatsächliche Frage. 
Hiernach fällt die Benutzung neuer Verkehrs- 
mittel, insbesondere von Maschinen, nur so lange 
nicht unter den Gemeingebrauch der öffentlichen 
W., als sie nicht allgemein gebräuchlich sind. 
Sobald dies der Fall ist, können ihnen die öffent- 
lichen W., vorbehaltlich derjenigen wege= und 
verkehrspolizeilichen Sonderbestimmungen, die 
etwa ihre Eigenart erforderlich macht, grundsätz- 
lich nicht mehr verschlossen werden. Dement- 
sprechend ist das Fahrrad und das Kraftfahrzeug 
behandelt worden (s. Kraftfahrzeuge 
und Radfahren). Jede Benutzung dagegen, 
die sich nach einer der bezeichneten Richtungen 
hin als eine ausnahmsweise darstellt, gehört nicht 
zum Gemeingebrauch. Wer eine solche ausnahms- 
weise Benutzung eines öffentlichen W. vor- 
nehmen will, bedarf neben der polizeilichen Zu- 
lassung der Genehmigung des Eigentümers des 
und des Unterhaltungspflichtigen, des 
Eigentümers, weil die beabsichtigte Benutzung 
über den Umfang der Widmung des W. für den 
öffentlichen Verkehr hinausgeht, namentlich dann, 
wenn sie Veranstaltungen erfordert, die in den 
Bestand des Wegegrundstückes oder den zuge- 
hörigen Luftraum eingreifen, die des Unter- 
haltungspflichtigen, weil die Wiederherstellung 
etwaiger Beschädigungen des W. öffentlichrecht- 
lich allein diesem obliegt (§ 3 des G. vom 20. Juni 
1887 — GS. 301; § 4 des für die Prov. Han- 
nover ergangenen G. vom 22. Febr. 1879 — 
GS. 19). Der Wegebaupflichtige kann also im 
Geltungsbereich dieser Gesetze den Transport 
von Lasten, die über die Grenzen des Gemein- 
gebrauchs hinausgehen, sofern nicht im Kom- 
munalaufsichtswege geholfen wird, durch Ver- 
sagung der Zustimmung verhindern (s. Dampf- 
pflüge; Straßenlokomotiven IOG. 
50, 254)) Bewegliche Dampfkes- 
sel). Anders nach § 2 des schlholst. Wege-
	        
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