Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

948 Widmung von Wegen für den öffentlichen Verkehr — Wiederaufnahme des Verfahrens 
seher in der rechtmäßigen Amts= oder Rechtsaus- 
übung (§§ 117—119; s. auch Forstbeamte). 
Eine Amtsausübung ist rechtmäßig, wenn sie 
innerhalb der sachlichen und örtlichen Zuständig- 
keit des Beamten, sowie unter Beobachtung der 
wesentlichen Voraussetzungen und Förmlichkeiten 
erfolgt. Die Rechtmäßigkeit wird nicht schon 
dadurch ausgeschlossen, daß der Beamte sich über 
die tatsächlichen Voraussetzungen, von denen 
seine Zuständigkeit und Befugnis im gegebenen 
Falle abhängt, im Irrtum befindet; wohl aber 
verliert der Beamte den Schutz des § 113, wenn 
er aus Unkenntnis oder falscher Auffassung der 
für ihn maßgebenden Vorschriften unbefugt ein- 
schreitet (R# St. 30, 348). Nur der Widerstand 
ist strafbar, der durch Anwendung oder Andro- 
hung physischer Gewalt verübt wird, nicht da- 
gegen ein zwar hinderliches, aber rein passives 
Verhalten, z. B. Weigerung, sich zu erheben, 
einen Verschluß zu öffnen oder dergleichen 
(Rt. 4, 376; Re#Rspr. 7, 85). Erhöhte Strafe 
tritt ein, wenn die Gewalt oder Drohung be- 
zweckt, eine Behörde oder einen Beamten zur 
Vornahme oder Unterlassung einer Amtshand- 
lung (s. d.) zu nötigen (St GB. 8§ 114). Jeder 
Teilnehmer an einer öffentlichen Zusammenrot- 
tung, bei welcher eine der in den §8§ 113 u. 114 
bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften 
begangen wird, hat die Strafe des Aufruhrs (s. d.) 
verwirkt. Ein besonderer Fall des Widerstandes 
ist die Befreiung eines Gefangenen aus der Ge- 
fangenanstalt oder aus der Gewalt der be- 
waffneten Macht des Beamten oder einer an- 
deren Person, unter deren Bewachung sich der 
Gefangene befindet (§ 120). Auch das vorsätz- 
liche oder fahrlässige Entweichenlassen eines Ge- 
fangenen durch den Aufseher oder Begleiter ist 
strafbar (§ 121), die Selbstbefreiung dagegen nur 
im Falle der mit vereinten Kräften von zusam- 
mengerotteten Gefangenen verübten Menterei 
(§ 122). Gefangener im Sinne dieser Para- 
graphen ist jede Person, welche durch die Staats- 
gewalt aus Gründen des öffentlichen Wohles der 
Freiheit beraubt ist und sich infolgedessen in der 
Gewalt der zuständigen Behörde befindet, also 
auch der Zwangsheilung überwiesene Kranke, auf 
polizeiliche Anordnung internierte gemeingefähr- 
liche Geisteskranke (R#t. 12, 162; 13, 254). Wegen 
der Bestrafung des Widerstandes gegen Zoll= oder 
Steuerbeamte s. Steuer-vergehen III. 
Widmung von Wegen für den öffentlichen 
Berkehr s. Wege (öffentliche) II. 
Wiederaufnahme des BVerfahrens. 
  
  
I. Das- 
darin teilen, daß sie nicht gleich den sonstigen Kla- 
gen zu einem neuen Rechtsstreite, sondern nur 
zu einer Neuverhandlung des alten führen können 
und sich insofern das Wiederaufnahmeverfahren 
zu dem durch das angefochtene Urteil abgeschlosse- 
nen im wesentlichen ebenso wie eine Rechts- 
mittelinstanz zu der vorhergehenden Instanz ver- 
hält. Untereinander unterscheiden sie sich durch 
die Verschiedenartigkeit der Gründe, wodurch 
dann auch einzelne Verschiedenheiten der pro- 
zessualen Behandlung veranlaßt werden. Nich- 
tigkeitsgründe sind viererlei Verstöße gegen das 
Verfahren (§ 579), welche stets auch die Revi- 
sion begründen (§ 550), zwei davon sind es jedoch 
nur, wenn die Nichtigkeit nicht mittels eines 
Rechtsmittels — wozu auch hier nicht der Ein- 
spruch gehört — geltend gemacht werden konnte. 
Die Restitutionsgründe sind etwas zahlreicher 
(§ 580), jedoch findet, soweit dabei eine strafbare 
Handlung den Grund bildet, die Restitutions- 
klage, um widersprechende Ergebnisse des Wieder- 
aufnahme= und des Strafverfahrens zu ver- 
hindern, nur statt, wenn wegen der strafbaren 
Handlung eine rechtskräftige Verurteilung er- 
gungen ist oder die Einleitung oder Durchführung 
eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als 
wegen Mangels an Beweis, z. B. wegen Todes, 
Verjährung oder Abwesenheit, nicht erfolgen 
kann. Ferner ist die Restitutionsklage stets nur 
zulässig, wenn die Partei ohne Verschulden außer- 
stande war, den Restitutionsgrund in dem früheren 
Verfahren, insbesondere durch Einspruch oder 
Berufung oder mittels Anschließung an eine Be- 
rufung, geltend zu machen. Endlich ist die Re- 
stitutionsklage noch insofern subsidiär, als, wenn 
beide Klagen von derselben Partei oder von ver- 
schiedenen Parteien erhoben werden, die Verhand- 
lung und Entscheidung über die Restitutionsklage 
bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nich- 
tigkeitsklage auszusetzen ist. Die Nichtigkeits- 
und die Restitutionsgründe sind einer analogen 
Ausdehnung unzugänglich. Für beide Klagen 
ist regelmäßig das Gericht zuständig, welches das 
angefochtene Urteil erlassen hat. Sie sind an 
eine Notfrist von einem Monat gebunden und 
überhaupt nur binnen fünf Jahren von der Rechtis- 
kraft an zulässig. Auf ihre Erhebung und das 
weitere Verfahren finden grundsätzlich die allge- 
meinen Vorschriften entsprechende Anwendung, 
welche für die Instanz gelten, in der die Klagen 
zu erheben sind. Das Verfahren zerfällt in das 
darüber, ob die Wiederaufnahmeklage prozessua- 
lisch zulässig und begründet ist, und, wenn diese 
praklische Bedürfnis hat dazu geführt, auch noch Fragen bejaht sind, in das über die Hauptsache, 
nach dem Abschluß eines Prozesses durch rechts= d. i. dasjenige über den Rechtsstreit selbst, der 
kräftig gewordenes Urteil dessen Miederaufnahme insoweit, andererseits aber auch nur insoweit von 
unter eng begrenzten Voraussetzungen, weil neuem verhandelt wird, als er von den Ansech- 
Grundlagen des Verfahrens oder der sachlichen tungsgründen betroffen ist, während der nicht be- 
Entscheidung fehlen, zu ermöglichen. troffene Teil in Geltung bleibt. Das ausgenom- 
II. Die 3PO. (§§ 578—591) gewährt zu die= mene Verfahren kann natürlich auch wieder das- 
sem Zwecke zwei Klagen, die Nichtigkeilsklage und selbe Ergebnis haben wic das frühere. 
die Restintionsklage, von denen die erstere der 1III. Auch im Strafverfahren muß 
Gucrela nullitatis insanaliilis, die letztere der re-# nach dem dieses beherrschenden Grundsatze der 
stitutio in integrum contra rem judicatam des Erforschung materieller Wahrheit die Wiederauf- 
gemeinen Rechtes entspricht, während das franz. nahme eines durch rechtskräftiges Urteil abge- 
Recht nur ein Mittel zur Aufechtung rechts= schlossenen Verfahrens zulässig sein. Die St P. 
kröftiger Urteile, die requete cirile, kennt. Beide (§§ 399—413) gestattet sie aber nur zu dem 
Klagen sind keine Rechtsmittel im jetzigen Sinne Zwecke einer Abänderung der Entscheidung über 
(. Rechtsmittel 1), obwohl sic deren Wesen die Schuldfrage, nicht auch über die Straffrage.
	        
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