Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
der gesetzlichen Vorschriften bestimmt und nach
dem Gesetze mit Ausschlußwirkung versehen sind.
Auch gegen die Versäumung der Wiederein-
setzungsfrist kann die W. i. d. v. S. gewährt werden.
Gegen Nichtwahrnehmung eines Verhandlungs-
termins gibt es keine W. i. d. v. S. Als unab-
wendbarer Zufall ist es anzusehen, wenn der An-
tragsteller von einer Zustellung ohne sein Ver-
schulden, d. h. ohne das der Partei selbst oder ihres
Bevollmächtigten, keine Kenntnis erlangt hat.
Über den Antrag entscheidet das Gericht, dem die
Entscheidung über die versäumte Streithandlung
usteht, selbständig; Zustimmung oder Wider-
spruch des Gegners ist unerheblich. Die ver-
säumte Streithandlung ist unter Anführung der
Tatsachen, mittels deren der Antrag auf Wieder-
einsetzung begründet werden soll, sowie der Be-
weismittel innerhalb zwei Wochen nachzuholen.
Der Lauf der Frist beginnt mit dem Ablaufe des
Tages, mit welchem das Hindernis gehoben ist.
Nach Ablauf eines Jahres von dem Tage der ver-
säumten Frist an gerechnet findet die Nachholung
der versäumten Streithandlung bzw. der Antrag
auf Wiedereinsetzung nicht mehr statt. Die durch
Erörterung des Antrags auf WViedereinsetzung
entstehenden baren Auslagen trägt in allen
Fällen der Antragsteller. Ein unabweisbarer
Zufall für die Partei ist zwar in einem Ver-
sehen der Post bei Bestellung von Briefen, nicht
aber ohne weiteres in einer Fristversäumnis eines
Vertreters (OVG. 41, 458 und im Pr l.
26, 390) und nicht in einem Rechtsirrtum, selbst
nicht, wenn er durch eine irrtümliche Belehrung
über die zulässigen Rechtsmittel veranlaßt wor-
den ist (OV G. 54, 422), oder darin gefunden
worden, daß ein an unzuständiger Stelle einge-
reichter Schriftsatz von dieser nicht rechtzeitig an
die zuständige Behörde abgegeben worden ist.
Wenn es sich um eine versäumte Rechtsmittel-
frist handelt, hat über den Antrag aus Wieder-
einsetzung nicht das Gericht, bei welchem die An-
meldung und Rechtfertigung des Rechtsmittels
erfolgt, sondern bei der Entscheidung über das
Rechtsmittel das hierzu berufene Gericht zu be-
finden. Wegen der Beschwerde gegen die Ver-
sagung der W. i. d. v. S. s. O# G. 57, 514;
eine weitere Beschwerde ist unzulässig. Da die
Innehaltung der Fristen von Amts wegen zu
prüfen ist, so ist der Revisionsrichter zur Nach-
prüfung der durch den Berufungsrichter er-
teilten Wiedereinsetzung und der in den Vor-
instanzen vorgebrachten tatsächlichen Voraus-
setzungen zuständig (OV G. im Pr BBl. 25, 764).
Der § 112 kommt zwar auch in denjenigen Ver-
waltungsstreitsachen zur Anwendung, in welchen
der § 20 GewO. zu beachten ist, nicht aber bei
der Berufung im armenrechtlichen Streitverfah-
ren unter AV. (BA. 22, 169) und im Diszi-
plinarverfahren auf Entfernung aus dem Amte
(LVG. § 157 Ziff. 2 u. 3; O G. 12, 432). In
den Angelegenheiten der sozialpolitischen Ver-
sicherungsgesetzgebung ist nach der Praxis des
RA. die W. i. d. v. S. gegen die Versäumung
einer Rechtsmittelfrist (Notfrist, z. B. Berufungs-,
Rekursfrist usw.) gegeben. An eine bestimmte
Frist ist der Antrag nicht gebunden, er darf aber
nicht ungebührlich verzögert werden. Wieder-
einsetzungsgründe sind: störende Naturereignisse,
unabwendbare Zufälle oder ähnliche, außerhalb
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des Willens der Parteien liegende (objektive)
Hinderungsgründe, z. B. Willensunfähigkeit in-
folge geistiger oder körperlicher Krankheit usw.,
nicht aber Lesens= und Schreibens= oder Gesetzes-
unkunde. Nach den Bestimmungen zur Aus-
führung des Kalisalzgesetzes vom 9. Juli 1910
(RE#Bl. 925) zum VI. Abschnitte Ziff. 29 fin-
den, wenn die Frist zur Einlegung der Be-
schwerde gegen die Entscheidungen der Ver-
teilungsstelle versäumt ist, die Vorschriften der
ZPO-über die W. i. d. v. S. entsprechende
Anwendung. Gemäß § 45 Abs. 2 des Zuwachs-
steuergesetzes (RG Bl. 1911, 33) sind verspätete
Beschwerden zuzulassen, wenn die Steuerbehörde
zu der Annahme gelangt, daß der Beschwerde-
führer ohne sein Verschulden verhindert war,
die Frist einzuhalten. Im Patentgesetze fehlt
eine Bestimmung über die W. i. d. v. S.
VII. Außerhalb des Verwaltungsstreitver-
fahrens nach dem LVG. ist für die Verwaltungs-
sachen innerhalb des Gebiets der allgemeinen
Landesverwaltung die W. i. d. v. S. zugelassen
gegen die Versäumung der Frist für die An-
bringung einer ersten oder weiteren Beschwerde
sowie anderer an präklusivische Fristen gebunde-
ner Rechtsbehelfe, insbesondere auch des Ein-
spruchs (OV G. 35, 138; 49, 155), in sehr freier
Weise, indem die angerufene Behörde, d. i. die
zur sachlichen Beschlußfassung über die Beschwerde
berufene, sie in allen Fällen unverschuldeter
Fristversäumung gewähren kann (LVG. 8 52
Abs. 2), und zwar ohne daß dem später mit der
Sache befaßten Verwaltungsrichter eine Nach-
prüfung darüber zusteht, ob die Fristversäumnis
mit Recht als unverschuldet angesehen worden ist
(O#. ö4, 307). Es wird angenommen, daß hier
die Wiedereinsetzung auch stillschweigend und ohne
Antrag dadurch gewährt werden kann, daß ein
sachlicher Bescheid ergeht (OG. 21, 244;
30, 294; 35, 136); Voraussetzung ist dabei aber,
daß die Fristversäumnis erkannt worden war.
Daneben gibt es noch einzelne besondere Vor-
schriften über die W. i. d. v. S. So ist sie
ausgeschlossen im § 16 Abs. 2 des G. über die
Naturalleistungen für die bewaffnete Macht
im Frieden vom 24. Mai 1898/9. Juni 1906
(Rul. 1898, 361; 1906, 735), dagegen kann
sie nach § 24 Abs. 4 des G., betr. die Be-
kämpfung übertragbarer Krankheiten, vom
28. Aug. 1905 (GS. 373) bei unverschuldeter
Versäumnis der Frist für den Antrag auf Ent-
schädigung für vernichtete oder infolge der Des-
infektion beschädigte Gegenstände von der Orts-
polizeibehörde gewährt werden. In Staats-
einkommen-- und Ergän zungs-
steeuersachen kann W. i. d. v. S. beantra-
gen, wer durch Naturereignisse oder andere un-
abwendbare Zufälle verhindert worden ist, die
Fristen zur Einlegung des Einspruchs, der Be-
rufung oder Beschwerde einzuhalten. Als un-
abwendbarer Zufall gilt es, wenn der Antrag-
steller von einer Zustellung ohne sein Verschulden
keine Kenntnis erlangt hat. Das versäumte
Rechtsmittel ist unter Anführung der den An-
trag auf W. i. d. v. S. begründenden Tatsachen
und der Beweismittel innerhalb zwei Wochen
nach Ablauf des Tages, mit dem das Hindernis
gehoben ist, nachzuholen. Nach Ablauf eines
Jahres, vom Ende der versäumten Frist an ge-