Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Zoll und Zollwesen 
Steuern (s. d.). Zu den Zöllen im technischen 
Sinne gehören nicht die vom Sprachgebrauch 
auch als Zölle bezeichneten Abgaben für die 
Benutzung von Brücken und Chausseen und 
dhnliche Verkehrsabgaben. Wird das Gebiet, 
dessen Wechsel die Zollerhebung zur Folge hat, 
durch einen selbständigen Staat oder eine Ver- 
einigung solcher Staaten (einen Zollverein, 
s. d.) gebildet, so bezeichnet man die zur Er- 
hebung gelangenden Zölle als Außenzölle:; 
von Binnenzöllen spricht man, wenn das 
maßgebende Gebiet nur Teile dieses größeren, 
durch Staaten gebildeten Gebiets umfaßt. Je 
nachdem die Zölle von der Verbringung von 
Waren in ein Gebiet, aus einem Gebiet, oder 
durch ein Gebiet erhoben werden, unterscheidet 
man Eingangs-= (Einfuhr-), Aus- 
gangs-(Ausfuhr-) und Durchgangs- 
(Durchfuhr--) Zölle. Durchgangszölle kom- 
men nur ganz vereinzelt vor, häufiger sind die 
Ausgangszölle, die bei weitem wichtigste Rolle 
aber spielen die Eingangszölle, auch Zölle 
schlechthin genannt. Man unterscheidet die 
Zölle ferner in Finanz= und Schutz- 
zölle (s. d.), je nachdem sie ausschließlich oder 
überwiegend als Einnahmequelle für den Staat 
oder als ein Schutzmittel für die einheimische 
Volkswirtschaft bestimmt sind. Wertzölle 
sind Zölle, welche nach Teilen des Wertes der 
Ware, spezifische Zölle solche, welche 
nach ihrer Menge (z. B. Gewicht, Maß, Stück- 
zahl) erhoben werden. Die spezifischen Zölle 
haben den Nachteil, daß sie innerhalb derselben 
Tarifposition hochwertige und minderwertige 
Waren, also auch neue und gebrauchte, mit der 
gleichen Abgabe belasten. Auf der anderen Seite 
wieder bringen als Schutzzölle bestimmte Wert- 
zölle den Mißstand mit sich, daß sie bei niedrigen 
Preisen, also gerade dann, wenn der Schutz- 
zoll am meisten gebraucht wird, die geringste 
Wirkung ausüben, da sie eben mit den Preisen 
steigen und fallen. Ein fernerer Nachteil der 
Wertzölle liegt auf praktischem Gebiet, nämlich 
in den Schwierigkeiten der Wertsermittlung. 
Aus diesen Gründen werden immer mehr die 
spezifischen Zölle bevorzugt. Die Wertzölle 
sind noch von größerer Bedeutung in Belgien, 
den Niederlanden und den Vereinigten Staaten 
von Amerika. Wegen Kampf-(Retor- 
sions-), Saison= und Staffelzöllen 
s. d. Unter Zollsatz versteht man das Ver- 
hältnis des zu entrichtenden Zollbetrages zu 
dem Werte oder der Menge der Waren. Man 
spricht von autonomen und von ver- 
tragsmäßigen Zollsätzen, je nachdem sie 
auf der einseitigen Gesetzgebung eines Staates 
oder auf Vereinbarungen (Handelsverträgen) mit 
anderen Staaten beruhen. 
:8. Deutsches Zollrecht. I. Quellen. 
Die Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen 
steht nach Art. 35 RV. dem Reiche zu. Die 
wichtigsten für das Zollrecht in Betracht kom- 
menden Gesetze sind das Zolltarifgesetz 
(einschließlich Zolltarif) vom 25. Dez. 1902 
(Rel. 303), das Vereinszollgesetz vom 
1. Juli 1869 (B #Bl. 317), und die Handels- 
verträge (s. d.). Das ZollTG. und das 
V86. unterscheiden sich in ihrem Inhalte da- 
durch, daß überwiegend, nicht ausschließlich, das 
  
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ZollTG. materielles, das V.8G. formelles Zoll- 
recht enthält. Während also z. B. das ZollG. 
bestimmt, welche Waren zollfrei und welche 
zollpflichtig sind und welchen Zollsätzen die 
letzteren unterliegen, enthält das BBG. die 
Vorschriften über die Gestaltung der Zollabferti- 
gung. Neben diesen Gesetzen nd von wesent- 
licher Bedeutung die zu ihrer Ausführung nach 
Art. 7 Ziff. 2 RV. erlassenen Beschlüsse des 
BR. Dessen Beschlußfassung unterliegt ins- 
besondere das gemäß § 12 VB. zur richtigen 
Anwendung des ZollT. dienende Warenverzeich= 
nis (s. d.). Außer dem Warewverzeichnis sind 
vom BR. eine große Anzahl von Regulativen 
und sonstigen Ausführungsbestimmungen erlassen, 
von denen hier die Anweisung zur Aus- 
führung des V 3B G. (s. d.) erwähnt werden 
mag; die übrigen sind bei den Einzelmaterien 
aufgeführt. Vereinzelt sind auch noch Beschlüsse 
der früheren Generalkonferenzen (s. d.) des Zoll- 
vereins in Kraft. Auch die Verwaltungsbehörden 
können innerhalb der ihnen zugewiesenen Befug- 
nisse verbindliche Vorschriften erlassen. So hat 
sich z. B. der BR. damit begnügt, für die nach 
#* 90 BVB6. zu erlassenden Hafenregulative in 
der Form von „Normativbestimmungen“ (s. u. 
VII 3) allgemeine Grundsätze aufzustellen, hat 
es aber den obersten Landesfinanzbehörden über- 
tragen, im Rahmen dieser Grundsätze unter 
Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse die 
Hafenregulative selbst zu erlassen. 
. Geltungsbereich. Deutschland 
bildet ein Zoll= und Handelsgebiet, umgeben 
von gemeinschaftlicher Zollgrenze (RV. Art. 33). 
Die Zollgrenze (Zollinie) fällt mit der Landes- 
grenze zusammen, soweit nicht einzelne deutsche 
Gebietsteile (Zollausschlüsse, s. d.) vom 
Zollgebiet ausgeschlossen (RV. Art. 33 u. 34; 
VZG. § 16) oder ausländische Gebietsteile 
E#sistüss, s. d.) ihm angeschlossen. 
ind. 
III. Verkehr mit dem Auslande 
und im Innern. Alle Erzeugnisse der 
Natur wie des Kunst= und Gewerbefleißes 
dürfen im ganzen Umfange des Zollgebiets 
eingeführt, ausgeführt und durchgeführt werden 
(V86. 8§ 1). Ausnahmen hiervon können nach 
§ 2 a. a. O. zeitweise für einzelne Gegenstände 
beim Eintritt außerordentlicher Umstände oder 
zur Abwehr gefährlicher ansteckender Krankheiten 
oder aus sonstigen gesundheits= und sicherheits- 
polizeilichen Rücksichten für den ganzen Umfang 
oder einen Teil des Zollgebiets angeordnet 
werden. Die allein zulässigen Außenzölle 
kommen nur als Eingangszölle vor. Wegen der 
Ausgangs= und Durchgangszölle s. Aus- 
fuhr II. Binnenzölle, sowohl des Staates 
als der Kommunen und Privaten, sind nach 
§ 8 VB86. unzulässig. Unter dieses Verbot 
fallen nicht diejenigen Abgaben, welche von ein- 
zelnen Bundesstaaten oder Kommunen bei der 
Einfuhr fremder Waren lediglich als Ausgleich 
für die Besteuerung gleichartiger im Bundesstaat 
oder in der Kommune erzeugter Waren erhoben 
werden (s. übergangsabgaben und 
Kommunalabgabengesetz). Abge- 
sehen von den durch diese Abgaben gebotenen 
Beschränkungen und den für den Grenzbezirk 
(s. d.) vorgesehenen Kontrollen ist nach § 7
	        
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