V. Abschnitt: Das Präsidium des Reichs. 109
werden. Diese Exekution ist vom Bundesrate zu beschließen und vom
Kaiser zu vollstrecken. (Reichs-Verfassung Art. 19.)
10. Die Befugnisse des Kaisers gegenüber fremden
Staaten.
Der Kaiser hat Bündnisse und andere Verträge mit fremden
Staaten zu schließen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen
(Reichs-Verfassung Art. 11).
Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche
Gegenstände beziehen, welche nach Artikel 4 (nicht auch solche
eines anderen Artikels) in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören,
ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrates und zu ihrer
Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich (Reichs-
Verfassung Art. 11, Abs. 3; siehe auch Art. 48, Abs. 2 und Zoll-Vertrag vom
8. Juli 1867, Art. 8, § 6, S. 94).
Nach Abschnitt XI. des Schlußprotokolls mit Bayern vom
23. November 1870 (Reichsgesetzbl. 1871, S. 25) wurde allseitig anerkannt,
daß bei dem Abschlusse von Post= und Telegraphen-Verträgen mit
außerdeutschen Staaten zur Wahrung der besonderen Landesinteressen
Vertreter der an die betreffenden außerdeutschen Staaten angrenzenden
Bundesstaaten zugezogen werden sollen, und daß den einzelnen Bundes-
staaten unbenommen ist, mit anderen Staaten Verträge über das
Post= und Telegraphenwesen abzuschließen, sofern sie lediglich den
Grenzverkehr betreffen.
11. Das Begnadigungsrecht.
Dem Kaiser steht in mehrfacher Weise ein Begnadigungsrecht zu.
(Vergl. Strafprozeß-Ordnung § 484; Konsulatsgesetz 5 72: Gesetz v. 19. März 1888,
§ 2, S. 75; Beamtengesetz § 118; Verordnung v. 15. Februar 1889, S. 9, § 27.)
3. Kapitel.
Die Stellvertretung des Kaisers.
Eine Stellvertretung des Kaisers erwähnt die Reichs-Verfassung
nicht. Dieselbe regelt sich lediglich nach preußischem Staatsrecht.
Sie kommt daher dem jeweiligen Kronprinzen des Deutschen Reiches
bezw. dem jeweiligen preußischen Thronfolger zu. Eine solche Stell-
vertretung bedarf aber besonderer schristlicher Beaustragung (eines
Kaiserlichen Erlasses) durch den Kaiser und es hat auch bei diesen
Vertretungsakten der Reichskanzler nach Art. 17 der Reichs-Verfassung
gegenzuzeichnen (s. z. B. Reichsgesetzbl. 1878, S. 101, 102 und 363).
Es wäre sehr wünschenswert, wenn die Frage der Reichs-
verwesung und zwar vor Eintritt der Notwendigkeit einer solchen
reichsgesetzlich geregelt werden würde.