Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

VI. Abschnitt. 
Der Reichstag. 
1. Kapitel. 
Die staatsrechtliche Stellung des Reichstags. 
VDoe Reichstag ist die Repräsentation (politische Vertretung) der Intelli- 
genz des gesamten Deutschen Volkes (inkl. Elsaß-Lothringen und 
Helgoland) und zwar ist jedes Mitglied desselben Vertreter des gesamten 
Volkes und daher an Aufträge und Instruktionen der Wähler seines Wahl- 
kreises oder Heimatlandes rechtlich nicht gebunden (Reichs-Verfassung Art. 29 
und Reichsgesetz vom 24. Februar 1873, S. 45, Sten. Ber. 1867 I, S. 624). 
Die einzelnen Mitglieder des Reichstags stimmen nach ihrer per- 
sönlichen Ueberzeugung über sämtliche Angelegenheiten, die der Reichs- 
gesetzgebung unterliegen ohne Ausnahme, mögen diese ihren Heimatstaat 
oder einen anderen Bundesstaat oder das Reichsland betreffen mit voll- 
ständiger gegenseitiger Gleichberechtigung. 
Der Reichstag bildet also einen Gegensatz zu einer Versammlung 
Delegierter der Einzel-Landtage und zum Partikularismus überhaupt, 
in ihm findet die Einheit, d. h. die öffentliche Meinung des Deutschen 
Volkes seinen staatsrechtlichen Ausdruck (S. Kapitel 2, Zusammensetzung 
des Reichstages). 
  
2. Kapitel. 
Die Zusammensetzung des Reichstages. 
Der Reichstag besteht aus den vom Volke gewählten Reichstags- 
abgeordneten. Die Wahl ist eine allgemeine und direkte (unmittelbare) 
und erfolgt mittelst geheimer Abstimmung (Reichs-Verf. Art. 20 Abs. 1. 
Wahlgesetz vom 31. Mai 1869 und Wahlreglement vom 28. Mai 1870, Geseetz 
vom 25. Juni 1873 86, S. 161 und Gesetz vom 15. Dezember 1890 § 4, S. 267). 
Das Reich kennt demnach eine parlamentarische Vertretung der ein-
	        
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