Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

136 Zweiter Teil: Organisation des Bundes. 
§ 43. Die Mitglieder des Bundesrates und die zu ihrer Vertretung 
abgeordneten Kommissarien müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört 
werden. Auch den Assistenten muß auf Verlangen der Mitglieder des 
Bundesrats oder ihrer Vertreter das Wort erteilt werden. 
§ 44. Das Wort zur Geschäftsordnung wird nur nach freiem 
Ermessen des Präsidenten erteilt. Eine von demselben zugelassene Be- 
merkung zur Geschäftsordnung darf die Dauer von 5 Minuten nicht 
übersteigen. (Beschluß vom 9. Dezember 1902.) Persönliche Bemerkungen 
(Sten. Ber. 18671, S. 189 u. 262) sind erst nach dem Schlusse der Debatte 
oder im Falle der Vertagung derselben am Schlusse der Sitzung gestattet 
(Sten. Ber. 1867 I. S. 145). Faktische Bemerkungen sind unzulässig. 
§ 45. Die Redner sprechen von der Rednerbühne oder vom Platze aus. 
Den Mitgliedern des Reichstages ist das Vorlesen schriftlich abgefaßter 
Reden nur dann gestattet, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind. 
§ 46. Der Präsident ist berechtigt, die Redner auf den Gegen- 
stand der Verhandlung zurückzuweisen und zur Ordnung zu rufen (§ 60), 
(Sten. Ber. 1867 II, S. 613). Ist das Eine oder das Andere in der näm- 
lichen Rede zweimal ohne Erfolg geschehen und fährt der Redner fort, 
sich vom Gegenstande oder von der Ordnung zu entfernen, so kann die 
Versammlung auf die Anfrage des Präsidenten ohne Debatte beschließen, 
daß ihm das Wort über den vorliegenden Gegenstand genommen werden 
solle, wenn er zuvor auf diese Folge vom Präsidenten aufmerksam 
gemacht ist. 
§ 47. Bei allen Diskussionen erteilt der Präsident demjenigen Mit- 
gliede das Wort, welches nach Eröffnung der Diskussion oder nach Be- 
endigung der vorhergehenden Rede zuerst darum nachsucht. 
§ 48. Nimmt ein Vertreter des Bundesrats nach dem Schlusse 
der Diskussion das Wort, so gilt diese aufs Neue für eröffnet. 
Antragsteller und Berichterstatter erhalten, wenn sie es verlangen, 
das Wort sowohl am Beginn wie nach dem Schlusse der Diskussion. 
e) Die Abänderungs-Vorschläge und Anträge aufmotivierte 
Tagesordnung. 
§. 49. Abänderungs-Vorschläge (Amendements) oder Anträge auf 
motivierte Tagesordnung können zu jeder Zeit vor dem Schlusse der Ver- 
handlungen gestellt werden. Dieselben müssen mit der Hauptfrage in wesent- 
licher Verbindung stehen und werden dem Präsidenten schriftlich übergeben. 
§ 50. Ueber Amendements und Anträge auf motivierte Tages- 
ordnung, welche dem Reichstage nicht gedruckt vorgelegen haben, muß, 
sofern sie angenommen werden, in der nächsten Sitzung, nach deren er- 
solgtem Drucke und Verteilung nochmals ohne Diskussion abgestimmt 
werden. Dies findet auch dann Anwendung, wenn solche Amendements 
oder Anträge bereits in dem Kommissionsbericht als Minoritäts-Anträge 
erwähnt sind. Bilden die angenommenen Amendements einen Teil der 
dem Reichstage vorzulegenden gedruckten Zusammenstellungen (8§ 19 und 
20), so bedarf es eines besonderen Abdruckes derselben nicht. In diesem 
Falle muß der Abstimmung über das Ganze eine nochmalige Abstimmung 
über diejenigen angenommenen Anträge vorhergehen, welche dem Reichs- 
tage noch nicht gedruckt vorgelegen haben. Bei Amendements zu Petitions- 
Berichten ist eine wiederholte Abstimmung jedoch nur dann erforderlich,
	        
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