Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

VII. Abschnitt: Das Gewerberecht. 267 
8. Kapitel. 
Die gewerblichen Arbeiter 
(Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker und 
Fabrikarbeiter). 
Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen Ge- 
werbetreibenden und den gewerblichen Arbeitern ist, vorbehaltlich der 
durch Reichsgesetz begründeten Beschränkungen, Gegenstand freier Ueber- 
einkunft. (§ 105 der Gewerbeordnung.) 
Minderjährige Personen dürfen, soweit reichsgesetzlich nicht ein 
Anderes zugelassen ist, als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn sie 
mit einem Arbeitsbuche versehen sind. Bei der Annahme solcher Ar- 
beiter hat der Arbeitgeber das Arbeitsbuch einzusordern. Er ist ver- 
pflichtet, dasselbe zu verwahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen 
und nach rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses wieder auszu- 
händigen. Die Aushändigung erfolgt an den gesetzlichen Vertreter, 
sofern dieser es verlangt, oder der Arbeiter das 16. Lebensjahr noch 
nicht vollendet hat, anderenfalls an den Arbeiter selbst. Mit Genehmigung 
der Gemeindebehörde des im § 108 bezeichneten Ortes kann die Aus- 
händigung des Arbeitsbuches auch an die zur gesetzlichen Vertretung 
nicht berechtigte Mutter oder einen sonstigen Angehörigen oder unmittel- 
bar an den Arbeiter erfolgen. 
Auf Kinder, welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, 
finden vorstehende Bestimmungen keine Anwendung. (8 107.) 
In Betreff der Lohnzahlung s. § 115—119 b der Ge- 
werbeordnung; vergleiche hiezu das Gesetz vom 21. Juni 1869, 
S. 242, § 1 und 4 Ziff. 4, 1871, S. 63, betreffend die Beschlagnahme 
des Arbeits= und Dienstlohns und die Aenderungen im Gesetz vom 
29. März 1897, S. 159 und vom 17. Mai 1898, S. 333. 
Unter Lohn im weiteren Sinn ist zu verstehen jede Vergütung 
(sei es in Geld oder in Naturalien), die vertragsmäßig für Dienste 
oder Arbeiten gewährt werden muß. 
Das Lohnbeschlagnahmegesetz hat aber nicht den Lohn in diesem 
weiteren Sinn im Auge, sondern nur denjenigen Lohn zum Gegen- 
stande, welcher gewährt werden muß, wenn das Dienst= oder Arbeits- 
verhältnis die Erwerbsthätigkeit des Lohnberechtigten vollständig oder 
hauptsächlich in Anspruch nimmt (berufsmäßiger Lohn). 
Nach diesem Gesetz gilt als Prinzip, daß wenn es sich um einen 
solchen berufsmäßigen Lohn handelt, daß dann dem Lohnberechtigten 
so viel belassen werden muß, als er zur Bestreitung seines Unterhalts 
(Weiterexistenz) und des Unterhalts seiner Angehörigen braucht. 
Der Gläubiger darf mit seinem Exekutionsrecht (Lohnverarrestierung) 
nicht so weit gehen, daß er den wirtschaftlichen Ruin des Schuldners 
herbeiführt und ihn und seine Angehörigen ins Elend stürzt. (Sten. Ber. 
1869 II, S. 901.)
	        
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