II. Abschnitt: Die Berf.-Urkunde des Deutschen Reiches. 15
die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben
von der Majorität des Bundesrates nicht adoptiert worden sind. Niemand
kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrates und des Reichstages sein.
Artikel 10.
Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrates den
üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren.
IV. Präsidium.
Artikel 11.
1. Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen zu,
welcher den Namen Deutscher Kaiser führt. Der Kaiser hat das Reich
völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu erklären und
Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten
einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen.
2. Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustim-
mung des Bundesrates erforderlich, es sei denn, daß ein Angriff auf das
Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.
3. Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegen-
stände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung
gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrates und zu
ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich.
Artikel 12.
Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrat und den Reichstag zu be-
rufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen.
Artikel 13.
Die Berufung des Bundesrates und des Reichstages findet alljährlich
statt und kann der Bundesrat zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den
Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrat berufen werden.
Artikel 14.
Die Berufung des Bundesrates muß erfolgen, sobald sie von einem
Drittel der Stimmenzahl verlangt wird.
Artikel 15.
1. Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte steht dem
Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist.
2. Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundes-
rates vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.
Artikel 16.
Die erforderlichen Vorlagen werden nach Maßgabe der Beschlüsse
des Bundesrates im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht, wo sie
durch Mitglieder des Bundesrates oder durch besondere von letzterem zu
ernennende Kommissarien vertreten werden.