682 Dritter Teil: Die einzelnen Materien des Reichsrechts.
Im Falle der Aushebung des Urteils ist die Berufung eines
neuen erkennenden Gerichts zu veranlassen. Soweit es erforderlich oder
sachgemäß erscheint, ist mit dieser Berufung ein anderer Gerichtsherr
als der zuerst mit der Sache befaßte zu betrauen. Zu dem neu zu
berufenden Gerichte dürsen die Personen als Richter nicht zugezogen
werden, welche bei der früheren Hauptverhandlung mitgewirkt haben.
Der die Aufhebung aussprechende Befehlshaber kann auch die Er-
ledigung der Sache im ordentlichen Verfahren verfügen, sofern die Er-
ledigung nach Lage des Falles bis zur Beendigung des die Anwendbarkeit
dieses Titels begründenden Verhältnisses aufgehoben werden kann. (§ 432.
Wird im Laufe eines im Felde oder an Bord eingeleiteten Straf-
verfahrens der Beschuldigte zu einem immobilen militärischen Verbande
versetzt oder einem solchen überwiesen, so findet die Ueberleitung in das
ordentliche Verfahren statt
War jedoch ein Urteil bereits ergangen, so hat über die Bestäti-
gung der bis dahin zuständige Befehlshaber nach Maßgabe dieses Titels
zu befinden. Wird die Bestätigung versagt, so ist das Urteil dem An-
geklagten nach dessen Uebertritt in den immobilen Verband bekannt zu
machen (§ 137). Gegen das Urteil ist binnen der gesetzlichen Frist
(§ 379) die Berufung zulässig. Die Frist läuft auch für den Gerichts-
herrn vom Tage der Bekanntmachung des Urteils an den Angeklagten.
Die gerichtsherrlichen Befugnisse gehen in einem solchen Falle auf den
Gerichtsherrn des immobilen Verbandes über. (§ 433.)
Bei der Marine steht dem Uebertritte zu einem immobilen Ver-
bande (§ 433) die Ablösung an Bord gleich. ( 434.)
Mit der Demobilmachung treten die Bestimmungen dieses Titels
außer Anwendung. Noch nicht erledigte Strafsachen sind in das ordent-
liche Verfahren überzuleiten.
Auf die bei Eintritt der Demobilmachung noch nicht bestätigten
Urteile finden die im § 433 Absatz 2 für den Fall der Versagung der
Bestätigung gegebenen Bestimmungen Anwendung. (§ 435.)
Die Geschäftsordnung für das Reichs-Militärgericht wurde am
30. Januar 1902 S. 59 erlassen; auch erging unterm 16. Januar 1901
Zentralbl. S. 15 ein Regulativ für das Dienstverhältnis der Ober-
sekretäre (Militärgerichtsschreiber) beim Reichs-Militärgericht und hermach
Geschäftsordnung vom 30. Januar 1902 Zentralbl. S. 63, betr. den
beim Reichs-Militärgericht bestehenden Disziplinarhof für richterliche
Militarjustizbeamte.
Da Bayern nach dem Vertrag vom 23. Nov. 1870 K 5 III
volles Selbstverwaltungsrecht sich vorbehalten hat, hätte es können ein
eigenes oberstes Landesmilitärgericht errichten, allein es hat sich der
Institution eines Reichs-Militärgerichts angereiht jedoch in Ausübung
seines Reservatrechts bei diesem Gericht einen eigenen unabhängigen
Senat eingesetzt und zwar durch ein besonderes Reichsgesetz vom
9. März 1899 S. 135.