56 Zweiter Teil: Organisation des Bundes.
bemerken, daß hierdurch das allseitige Anerkenntnis der verbündeten
Regierungen festgestellt ist, daß durch die Reichs-Verfassung in die Gemeinde-
verhältnisse nicht solle eingegriffen werden. (Sten. Bericht 1867 I, S. 244 7).
Die Verträge, welche zwischen den einzelnen Bundesstaaten in Be-
ziehung auf die Uebernahme von Auszuweisenden, die Verpflegung er-
krankter und die Beerdigung verstorbener Staatsangehöriger bestehen,
bleiben nach Reichs-Verfassung Art. 3, Abs. 4 bis auf weiteres in Kraft.
Es könnte nun scheinen, als ob mit dem im ersten Absatz dieses Artikels
ausgesprochenen Grundsatz eine Ausweisung von Angehörigen anderer
deutschen Staaten überhaupt nicht verträglich sei; allein man wird ein-
räumen müssen, daß aus polizeilichen Gründen eine solche Ausweisung,
Verweisung in die Heimat im Reiche zwischen verschiedenen Staaten
ebenso vorkommen kann, wie sie ja innerhalb des Gebietes eines einzelnen
Staates auch möglich ist. Da nun durch den Gothaer Vertrag von 1851
die Verhältnisse in dieser Beziehung in ersprießlicher Weise so geregelt
worden sind, daß niemals Zweifel darüber entstehen können, welcher Staat
zur Uebernahme des Auszuweisenden verpflichtet sei, so lag es im
Interesse der allgemeinen Sicherheit der Personen, daß die ausdrückliche
Fortdauer dieses Vertrages bestätigt wurde. Aehnlich war die Bewandtnis
mit dem Eisenacher Vertrag von 1853. Auch die Fortdauer dieses Ver-
trages ist durch Abs. 4 des Art. 3 der Reichs-Verfassung ausdrücklich
gesichert. (Sten. Bericht 1867, S. 244).
b) Die Gehorsams- und Treunepflicht.
Allen diesen Vorteilen des Indigenats steht gegenüber die Ge-
horsams= und Treuepflicht (Neichs-Verfassung Art. 57, Abs. 1 und Art. 70).
Die Verweigerung derselben ist teils mit Verlust der staatsbürgerlichen
Rechte (§ 22 des Gesetzes vom 1. Juni 1870), teils — und zwar der Hoch-
verrat, der Landesverrat, die Beleidigung des Landesherrn, die Be-
leidigung von Bundesfürsten, feindliche Handlungen gegen befreundete
Staaten, Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung
staatsbürgerlicher Rechte, Widerstand gegen die Staatsgewalt, sowie Ver-
brechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung — nach §§ 80
bis 145 des Straf-Gesetz-Buchs mit schwerer Strafe bedroht (stehe auch
Sten. Bericht 67 I, S. 147 und 67 II, S. 802).
) Die NReichsangehörigen in den Schutzgebieten.
Dies sind Deutsche, soweit sie nicht in dem Lande, in dem die
Konsulargerichtsbarkeit ausgeübt wird, nach allgemeinen völkerrechtlichen
Grundsätzen das Recht der Exterritorialität genießen.
Den Deutschen werden gleichgeachtet Handelsgesellschaften, ein-
getragene Genossenschaften und juristische Personen, wenn sie im Reichs-
gebiet oder in anderen deutschen Schutzgebieten ihren Sitz haben, juristische
Personen auch dann, wenn ihnen die Rechtsfähigkeit verliehen ist.