II. Abschnitt: Das Reich und die Bundesstaaten. 65
19. die Regelung der Verhängung des Kriegszustandes über einzelne
Bundesgebiete (Reichs-Verfassung Art. 68, Satz 2);
20. die Erlassung von Landesgesetzen in Elsaß-Lothringen (Reichs-
gesetz vom 2. Mai 1877, S. 491):
21. die Feststellung des Reichshaushalts-Etats (Reichs-Verf. Art. 69);
22. die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Uebernahme einer
Garantie zu Lasten des Reichs (Reichs-Verfassung Art. 73);
23. die Verwendung der von Frankreich gezahlten Kriegsentschädigung
(Etatsgesetz vom 4. Dezember 1871 8§ 8. S. 412 );
24. Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Ver-
fassung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitig-
keiten bestimmt ist, hat auf Anrufen eines Teiles des Bundesrat
güllich auszugleichen, oder, wenn das nicht gelingt, im Wege
der Reichsgesetzgebung zur Erledigung zu bringen (Reichs-Verfassung
Art. 76, Abs. 2, Sten. Ber. 1867 II, S. 595):
25. Veränderungen der Verfassung (Reichs-Verfassung Art. 78, Satz 1).
Der Erlassung eines Reichsgesetzes über einen andern Gegenstand
als die vorbezeichneten, hätte daher eine Erweiterung der Kompetenz
des Reiches nach der Vorschrift des Art. 78, Abs. 1 voranzugehen.
Diejenigen Vorschriften der Reichs-Verfassung, durch welche bestimmte
Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit
festgestellt sind, können übrigens nur mit Zustimmung des berechtigten
Bundesstaates im Bundesrate abgeändert werden. (Reichs-Verfassung
Art. 78, Abs. 2, Sten. Bericht 1870, S. 129 und 143, 1871 S. 159 f.)
Ueber Art. 78, Absatz 2 betreffs Zustimmung der berechtigten
Bundesstaaten sagte der bayerische Justizminister v. Lutz in der Sitzung
der 2. bayerischen Kammer am 16. Dezember 1871, Bd. 1, S. 112:
„In der That kann ich Ihnen aus den Verhandlungen in Ver-
sailles versichern, daß nicht allein Niemand daran gedacht hat, in
Art. 78, Abs. 2 die Zustimmung der ständigen Versammlung eines
Staates als ein notwendiges Regquisit zu bezeichnen; sondern im
Gegenteil, sämtliche Kontrahenten waren darüber einig, daß es sich
bei dem Bunde nur darum handle, daß die bevollmächtigten Bundes-
ratsmitglieder ihre Stimme für das Fallenlassen eines Separatrechtes
abgeben.“ (S. auch 2. außerordentl. Session des norddeutschen Reichs-
tags 1870, S. 133, 134, Sten. Ber. 1871, S. 378).
6. Kapitel.
Das Exekutionsrecht des Reichs gegen die Bundes-
mitglieder.
Wenn Bundesglieder ihre verfassungsmäßigen Bundespflichten
nicht erfüllen, können sie dazu im Wege der Exekution angehalten
BVock, Staatsrecht. 5