Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

Herrenstand in Thüringen. 113- 
der Landgraf vor dem Markgrafen, bald auch wieder umgekehrt 
der Pfalzgraf hinter dem Landgrafen. 
Also ist eine bestimmte Rangordnung überhaupt noch nicht 
vorhanden. Auch die meisten der inneren Landes= und Orts-Ver- 
hältnisse liegen in diesem Abschnitt noch im Dunkeln. Daß kein 
bestimmter Fürst im Lande war, sondern nur der ferne König- 
selbst gebot, mußte den einzelnen Grafen ihr Streben nach 
Macht und Landvergrößerung ungemein begünstigen. Kein 
strenger, gegen Reichsunmittelbarkeit vorbauender, zum Land- 
sassiatz hindrängender Markgraf stand hier im Wege, wenn er 
auch im Lande selbst Güter oder Grafschaft hatte. Ebenso- 
wenig wurde die Aristokratie der Großen durch die hohe Geist- 
lichkeit beschränkt, weil diese nicht im Lande war, der mainzer 
Siegfried zwar den Zehenten erzwang, aber dann selbst gegen 
den Kaiser mit Sachsen und Thüringen gemeinschaftlich auf- 
trat, Hersfeld und Fulda nach Schmälerung ihrer Zehenten 
auch den Einfluß selbst einbüßten. 
Thüringen besaß im Mittelalter einen äußerst zahlreichen 
Herrenstand. Zu den großen Provinzialgeschlechtern des Landes 
darf man auser dem Hause Ludwigs des Bärtigen das der 
Grafen von Weimar und Orlamünde, die Grafen von Biel- 
stein an der Werra, die Linderbecke, die Rotenburger, Gosecke, 
Beichlinger, Nabinswalde, Bucha, Hohensteiner (und Stollberge), 
die Kirchberger, Käfernburger, Gleichner (früher zu Tonna), 
rechuen. Andere führen noch Grafen von Brandenberg, Mühl- 
berg, Lohra, Grumbach u. s. w. an. Auch die Herren von 
Treffurt, Heldrungen, Apolda, Kranichfeld, Arnstadt, Sonders- 
hausen, Salza u. s. w. gehörten noch dem hohen Adel, an. 
Doch bemerkt man leicht, daß mehre Namen ursprünglich zu 
Einer Familie gehörten, dic sich aber theilte, so daß jede Linie 
nach einem neuen Hauptschlosse einen neuen Namen und zugleich 
ein besonderes Wappen führte. Da man das Rückfallörecht sich 
selten vorbehielt, waren solche Theilungen im Sinne jener Zeit 
Todtheilungen. Auch hier gingen durch Vermischung von Alode 
und Lehen, geistlicher und weltlicher Verleihung, durch Ver- 
einigung des Besitzes innerhalb und außerhalb des Gaues, 
durch Bereicherung der Stifter die Gaugrafschaften unter. 
Böttiger, Geschichte Sachsens, 2. Aufl. 1.
	        
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