Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

1306 
250 Krieg in Thüringen 1306. 
Seite. Schon rüstete der König, um gegen die Markgrafen 
Waffengewalt zu brauchen, als ihn die Ermordung König 
Wenzels (4. August 1306) nach Böhmen rief, wo er die Wahl 
seines Sohnes Rudolf zu dessen Nachfolger (Oktober) erreichte. 
Ein Einfall, den er von hier aus ins Osterland unternahm, 
endete bald wegen der Nähe des Winters. Inzwischen be- 
lagerten die königlich gesinnten Erfurter den alten Landgrafen 
in der Wartburg und würden diese unfehlbar genommen haben, 
wenn nicht die Söhne, unterstützt von ihrem Schwager, dem 
Herzog Heinrich von Braunschweig, sie durch ihre rechlzeitige 
Dazwischenkunft entsetzt hätten. Eine zweite königliche Schaar 
führte ein Herr von Wilnow den Eisenachern zu Hilfe, erneuerte 
die Belagerung der Wartburg, plünderte die Umgegend, wurde 
aber ebenfalls von den Landgräflichen geschlagen, er selbst ge- 
fangen. Damals muß sich zugetragen haben, was die rein- 
hardsbrunner Annalen erst in das folgende Jahr setzen: Um 
die Charwoche schlich sich Markgraf Friedrich mit einer Schaar 
seiner Getreuen bei nächtlicher Weile auf versteckten Waldpfaden 
auf die belagerte Wartburg, führte seine Gattin mit ihrer neu- 
gebornen Tochter und ihren Dienerimen herunter und glücklich 
durch die Feinde hindurch und ließ sie von seinen Jägern auf 
geheimen Wegen nach Tenneberg in Sicherheit bringen 1). An- 
1) So die Ann. Reinh., p. 294. Hicraus hat die Friedrich dem 
Frendigen überhaupt so Überaus holde Sage jene aumuthige Erzählung 
gebildet, die JI. Rothes (71 1434) im 15. Jahrhundert niedergeschriebene 
Chronik uns anfbewahrt hat (Ausgabe von N. v. Liliencron, Thür. 
Geschichtsquellen, 111. Bd., Kap. 603), wie der Markgraf trotz der Nähe 
der Feinde unterwegs mit den Seinen still hielt, bis sein schreiendes Kind 
von der Amme gestillt word# war: „Do apruch dio ammoe: „Ierrc, is 
sweiget nicht is gesvge denn. do hicss er die secynen haldin unde 
sprach: „Meyne tochtir ssal des durch disser jaget willen nicht ent- 
peren unde sulde das Dolnger landt kustin!“ unde hilt mit dem 
kynde unde stalte sich mit den seynen zu werc, bis alsso lange das 
seyne tochtir generit unde wol vorgatit wart.“ — Dagegen läßt sich die 
andere Erzählung, daß Friedrich mit Hilfe seiner Stiefmutter die Wart- 
burg erstiegen und seinen Vater gezwungen habe, sie zu räumen, nicht 
mit dem Zusammenhange der übrigen beglanbigten Thatsachen in Über- 
einstimmung bringen, da beide damals zu einander nicht in feindseligem 
Verhältnisse standen.
	        
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