Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 1—4.) 141
einer Stadt von 10,000 Einwohnern wird mit einem solchen Gesetz dem
Armen-Verbande abgenommen! Warum sollte also nicht für ähnliche Inter
essen eine Leistung den Armen-Verbänden angesonnen werden? Nur kann
es nicht der Lokalverein sein, es muß ein größerer Armenverband sein, und
der größte ist der Staat, und deßhalb halte ich unbedingt fest an dieser
Staatshilfe und würde, wenn diese den verbündeten Regierungen nicht ge-
währt wird, auch ruhig und sine ira einer weiteren Verhandlung, einer
weiteren Legislaturperiode entgegensehen. Ich betrachte Dieß als integriren
den Theil des Gesetzes, ohne welchen es nicht mehr denselben Werth für
mich haben würde, den ich ihm bisher beilege, und der mich veranlaßt,
mich dafür einzusetzen. Der Herr Vorredner hat, wie ja auch der Herr Abg.
Bamberger, einige scheele Seitenblicke auf den Volkswirthschaftsrath geworfen.
Ja, meine Herren, ich finde ja ganz erklärlich, die Concurrenz in der Be-
redtsamkeit wird ebenso gescheut wie in der Industrie (Heiterkeit), und es
sind unter diesen volkswirthschaftlichen Mitgliedern des Wirlhschaftsrathes
nicht nur überragende Sachkenner, sondern sogar sehr gute Redner, die, wenn
das Institut besser entwickelt sein wird, vielleicht ebenso lange und noch
sachkundigere Reden halten werden, als wie Dieß hier von den Herren, die
sich vorzugsweise als sachkundige Vertreter der Arbeiter ausgeben, geschieht.
Mit solcher Geringschätzung von den Männern zu sprechen, die hier auf den
Ruf ihres Königs gekommen sind, um Zeugniß von ihrer Meinung abzgu-
legen, halte ich wirklich kaum höflich, aber auch staatlich nicht nützlich.
Aus den meisten Wäldern ruft es so heraus, wie man hineinschreit, und
warum will der Herr Abg. Richter sich unnöthig noch mehr Feinde machen,
als er hat? Er theilt Das mit mir, daß die Zahl im Wachsen und schon
nicht ganz gering ist; sein Ohr ist nur nicht so geschärft für die Existenz
der Gegner, wie das meinige, und ich warte da ruhig ab, wer von uns das
Richtige getroffen haben wird; vielleicht entscheidet sich Das in unserem Leben
gar nicht. Auch das würde ich mir gefallen lassen. Der Herr Abg. Bam-
berger hat beim Wirthschaftsrath seine Verwunderung. darüber ausgesprochen,
daß den Vertretern der Seestädte die Frage des Schießpulvers und der Spiel-
karten überlassen wäre. Ja, meine Herren, die Delegirten der Binnenländer
sind außerordentlich viel zahlreicher als die der Seestädte, und wir haben
diese Theilung nicht muthwillig getroffen. Sie können doch unmöglich ver-
langen, daß, wenn wir die Freihandelstheorie für eine gemeinschädliche Krank-
heit halten, die ähnlich wie der Koloradokäfer und Dergleichen uns heim-
sucht (Heiterkeit), wir nun gerade da, wo wir irgendwie die Wahl haben,
den Freihändler als den Vertreter der Interessen des gesammten Landes an-
rufen. Der Freihändler vertritt im Allgemeinen die Interessen des Seehan-
dels, der Kaufmannschaft und einer sehr kleinen Anzahl von Persönlichkeiten.
Dem steht das ganze große Binnenland mit stärkerem Gewicht gegenüber, und
je mehr sich dieser Volkswirthschaftsrath ausbildet — und ich freue mich,
daß er alle Aussicht hat, sich über das Reich auszudehnen —, desto mehr
wird die Zweckmäßigkeit und Vernünftigkeit dieser Einrichtung allgemeine
Anerkennung finden; das Wohlwollen der Herren Richter und Bamberger
glaube ich mir durch diese Andenkungen allerdings nicht zu erwerben, Das
wäre für mich ein argumentum e contrario, ich glaube stets, daß das Gegen-
theil ihrer Meinung für den Staat und die vaterländischen Interessen, wie
ich sie auffasse, nützlich ist. Ueber den Vorwurf des inländischen Soazialis
mus äußerte ich mich bereits; der Herr Vorredner geht aber so weit, daß
er mich, weil ich die Verantwortung und die intellectuelle Urheberschaft für
dieses Gesetz gern übernehme, mit Ausländern identificirt, die in ihrer Art
gewiß ausgezeichnet sind, die aber Ausländer sind und mit unseren Interessen
nichts zu thun haben, nämlich mit der Categorie Nadeau, Clemenceau,