Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

sein Auftreten gegen den Ablaßhandel. 447 
Einem solchem Manne mit seinem offenen, klaren Sinne 
für das biblisch Wahre mußte das alle Sittlichkeit unter- 
grabende Ablaßwesen, wie es von Johann Tetzel 1) und anderen 
Unterpächtern des Kurfürsten Albrecht von Mainz in Deutsch- 
land betrieben wurde, höchst gefährlich scheinen. Wenn er ohne- 
hin schon die tomistische Lehre von dem Schatze der Kirche, auf 
welcher der Ablaß beruhete, und namentlich das Recht des 
Papstes, diesen zu vertheilen, bestritt, so empörte ihn noch weit 
stärker die grobsinnliche Anwendung, welche die Ablaßkrämer 
zum Verderben der Leute von jener Lehre machten. Gegen 
ihre Seelenverkäuferei, deren erschreckende Wirkungen Luther in 
dem Verkehre mit seinen Beichtkindern wahrnahm, schlug er 
auf academische Weise am 31. October 1517 seine 95 Sätze 
an die Schloßkirche zu Wittenberg (ohne sich daran zu kehren, 
daß diese ein Jahr vorher selbst die Ertheilung eines Ablasses 
vom Kurfürsten ausgewirkt erhalten hatte). Luther verlangte 
damals nur, daß sich der Ablaß bloß auf kirchliche Strafen 
beziehen solle, und ahnete schwerlich, daß er damit der ganzen 
Hierarchie den Fehdehandschuh hingeworfen hätte, und daß er 
mit seiner Feder selbst die päpstliche Krone in Rom ins Schwan- 
ken bringe, wie es um diese Zeit dem Kurfürsten zu Schweinitz 
geträumt haben soll. 2) In je schrofferem Widerspruche der 
schnöde Handel zu einer Zeit stand, wo die Kritik mit jugend- 
lichem Feuereifer die Berechtigung alles Bestehenden zu unter- 
suchen aufing, desto lauter war der Beifall, den die Thesen 
fanden, die, bald gedruckt, sich mit reißender Schnelle durch ganz 
Deutschland verbreiteten und denen Luther alsbald den deutschen 
1) Tetzel, nach der wahrscheinlicheren Meinung Sohn eines leipziger 
Goldschmieds Tictzc, wäre schon früher als Ehebrecher in Jusbruck ge- 
säckt worden, wenn Kurfürst Fricdrich beim Kaiser nicht vorgebeten hätte. 
Später wurde er Prior des Dominicanerklosters zu Pirna, Ketzermeister 
und apostolischer Vicar und sogar Doctor der Theologie, ob er gleich gewiß 
so wenig wie Bodenstein vor seiner Doctorpromotion die Bibel gelesen 
hatte. Er starb 1419 zu Leipzig. Er war wohl nicht schlimmer als 
andcre seines Zeichens, aber das Licht der Resormation hat auf ihn grellere 
Schlagschatten geworfen. Vergl. z. B. Skolle a. a. O., S. 164. 
2) Über diesen merkwürdigen Traum s. die Ateratur in Hasche, 
Diplomatische Geschichte von Dresden II, 201.
	        
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