Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

Reichstag zu Worms 1521. 461 
Es war das Verhängniß des deutschen Volkes, daß in dem 
Augenblicke seiner Erhebung gegen Rom ein Ausländer die 
Krone des Reichs trug, den seine ganze Stellung, namentlich 
seine Verhältnisse zu Frankreich und Italien, nicht auf Oppo- 
sition gegen den Papst, sondern auf enge Verbindung mit dem- 
selben hinwiesen. Am liebsten hätte Karl, wie der Papst es 
wünschte, einfach durch ein kaiserliches Edict die Ausführung 
des Bannes anbefohlen, aber schon in den Verhandlungen zu 
Köln zwischen ihm, dem Kurfürsten von Sachsen und den 
päpstlichen Legaten und ebenso nach Eröffnung des Reichstags 
zu Worms überzeugte er sich, wie entschieden die Meinung des 
Kurfürsten nicht allein, sondern der meisten Reichsstände einer 
Verdammung Luthers ohne vorhergegangenes Verhör und vor 
Erledigung der Beschwerden gegen den Papst entgegen sei. So 
erfolgte ein Resultat, welches den päpstlichen Gesandten höchst 
unangenehm erscheinen mußte, nämlich die Vorladung Luthers 
auf den Reichstag. So sollte der schon verdammte Ketzer 
gar noch vor Kaiser und Reich, also auch vor weltlichen 
Richtern gehört, am Ende wohl noch mit ihm verhandelt oder 
ein gütliches Abkommen getrossen werden. Welche Demüthigung 
für Aleander! 
Luther in seinem heiligen Eifer war fast entschlossener zu 
dieser Reise als der Kurfürst selbst, zumal da nun eine zweite 
Bulle, vom 3. Januar 1521, ihn ohne weitere Bedingung 
und Vorbehalt verdammte. Trotzdem ließ der Keiser selbst 
noch insgeheim seinen Beichtvater Glapio eine gütliche Ver- 
mittlung bei dem Kurfürsten durch dessen Kanzler Brück (Pon- 
tanus) versuchen; die Stände aber legten dem Kaiser in 101 
Artikeln ihre Beschwerden gegen den päpstlichen Stuhl und 
seine Bedrückungen vor. Selbst Herzog Georg von Sachsen, 
der eifrig Altgläubige, gab 12 Beschwerden, besonders gegen 
Annaten und gegen den Ablaß, ein 1). Alles dies bestimmte 
den Kaiser zu milderen Maßregeln. Nicht verbralmt, nur ihm 
vorläufig ausgeliefert sollten Luthers Schriften werden, dieser 
selbst aber wurde am 6. März 1521 unter ehrenvollen Aus- 
drücken (honorabilis, dilectus, devotus) und unter sicherem 
1) Seckendorf, Hist. Lutheran., p. 146. 
1521
	        
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