Kaiser Karl V. in Wittenberg. 551
einen förmlichen Überweisungsbrief, worin er seine bisherigen
Unterthauen und Vasallen ihres Eides gegen sich entließ.
Nach diesem harten Vertrage vom 19. Mai ließ nun der
abgesetzte Johann Friedrich die Festung Wittenberg sich öffnen
(23. Mai) und entband die Besatzung von ihrem Eide. Die
Kurfürstin kam selbst ins Lager und that einen Fuffall; sie
durfte ihren gefangenen Gemahl in des Obersten Vives Zelte
sehen und sprechen; darauf erhielt auch der Kurfürst die Er-
laubniß, Wittenberg unter Albas Begleitung noch einmal zu
besuchen. Das war eine traurige Pfingstwoche! Die fremven
Soldaten durften nicht in die Stadt, wohl aber besuchten sie.
Karl und seine Generale und Fürsten vom Gefolge. Den
Kirchen geschah kein Leid, ja als er hörte, daß seit Besetzung
des Schlosses in der Schloßkirche kein Gottesdienst mehr ge-
halten worden sel, erklärte er, wie Bugenhagen, ein Augen-
zeuge dieser Ereignisse, erzählt: „Wer richtet uns das an?
Geschieht solches in unserm Namen, so geschieht uns kein Ge-
fallen daran. Haben wir doch nichts gewandelt in der Religion
in den hochdeutschen Landen (?), warum sollten wir's denn hie
thun?“ 1) Auch soll Karl im Lager noch geäußert haben:
„Wir haben's in diesen Landen viel anders gefunden, denn
uns gesaget ist.““ Er beschied auch den alten Lucas Cranach
vor sich, der ihn einst als Knaben gemalt hatte. Der treue
Mann benutzte des Kaisers guädige Stimmung zu einer Für-
bitte für seinen Herrn und erhielt die Zusicherung, daß er
nichts Schlimmes gegen den Kurfürsten im Sinne habe.
Nachdem am 4. Juni auf der Wiese bei Blesern dem
neuen Kurfürsten Moritz vom Kaiser die Kur Sachsen nebst
der Erzmarschallswürde förmlich übertragen worden war, zog
der Kaiser mit seinem Gefangenen ab.
Ein ähnliches Schicksal wie Johann Friedrich hatte auch
1) Die bekannie Erzählung, daß Karl Albas Aussorderung, Lulhers
Gebeine ausgraben zu lassen, mit den Worten abgewiesen habe: „Ich
führe keinen Krieg mit den Todlen, er hat seinen Nichter!“ sindet sich
erst bei Spangenberg, Adelsspiegel II, fol. 155 b, und erst noch Spätcre
verlegen die Sccne in die Schloßlirche. Vergl. Wentrupp, Die Be-
lagerung Wittenbergs im Jahre 1547 (1861), S. 17.