Verhandlungen zu Linz. 609
„Unerträgliche viehische Servitut“, in das Karl V. die deutsche
Nation habe bringen wollen, abzuwerfen. So richtig hatte
Moritz seinen Zeitpunkt gewählt, so vollständig war die Über-
raschung gelungen, daß der Kaiser ohne Heer, ohne Geld, allein
und gichtkrank in Insbruck saß, von der Flucht nach Italien
oder nach Spanien durch Frankreich abgeschnitten; einen Versuch,
sich verkleidet nach den Niederlanden durchzuschleichen, vereitelte
die Nachricht von der Besetzung Füssens durch die Verbündeten.
So bilflos war die Lage, in die der Beherrscher zweier Welt-
theile gerathen, daß er nirgends anders Rath und Hilfe gegen
den Aufstand suchen konnte als bei seinem Bruder, bei dem-
selben, gegen den er den nicht ungegründeten Verdacht hegte,
daß er den Tendenzen des Ausstandes nicht fremd und seiner
cigenen Stellung von Moritz versichert sei. Von ihm bevoll-
mächtigt, hatte Ferdinand durch den Burggrafen Heinrich von
Plauen mit Moritz noch vor dessen Aufbruch aus Sachsen eine
Zusammenkunft in Linz verabredet, auf die auch Moritzens
Räthe und Stände die größte Hoffuung für eine friedliche Aus-
gleichung setzten. Am 18. April ward dieselbe eröffnet. Allein
da der Kaiser weder die Anctorität des Koncils noch die Gil-
tigleit der Reichstagsbeschlüsse, durch die sich die Protestauten
demselben unterworfen hatten, noch auch die einstweilige Ver-
bindlichkeit des Interims antasten lassen wollte, so entschuldigte
sich Moritz durch die nothwendige Rücksprache mit seinen Ver-
bündeten, ohne die er nichts abschließen könne; nur darüber
einigte man sich, daß den 26. Mai eine erweiterte Fürsten-
versammlung zu Passau zusammentreten und zugleich den Frie-
den mit Frankreich vermitteln solle; von diesem Tage an ver-
willigten die Verbündeten einen friedlichen Anstand. Aber sie
wußten zu gut, daß dem Kaiser weniger an einem Erfolge dieser
Verhandlungen als au Zeitgewinn gelegen war, damit er seine
Kräfte an sich ziehen und dann die Aufständischen, namentlich aber
den Kurfürsten Moritz, nachdrücklich strafen könne, als daß sie die
Zwischenzeit ungenutzt gelassen hätten. Am 18. Mai zersprengten
sie das laiserliche Kriegsvoll, das sich bei Reutte zu sammeln
begann, am 19. Mai fiel die ehrenberger Klause, durch Georg
von Mecklenburg von oben, durch Moritz von unten bestürmt.
Böttiger, Geschichte Sachsens, 2. Aufl. I. 39