68 Auflösung der Gane.
Kampf über das Mein und Dein, zwischen dem Alten und
Neuen. Aber ein inneres Gesetz im Leben der Menschheit,
eine innere Nothwendigkeit, so alt als der Mensch in der
Mehrzahl, begründet in dem Streben der Gesellschaft nach be-
stimmt geordneten geselligen Verhältnissen, hält was ausein-
anderstrebt zusammen, und in der Zeit selbst liegt eine still
aber sicher ordnende Kraft, der man nur Raum geben, die
man aber nicht gewaltsam vorwärts= oder zurücktreiben soll. —
In unseren Vorstaaten begegnen sich Slaventhum und Ger-
manenthum, Christenthum und Götzendienst, Befehl und Ge-
horsam, Freiheit und Sclaverei, Allode und Lehen, Reich und
Provinz, Freund und Feind, Schwert= und Vernunft-Recht,
Krieg und Friede; Gegensätze, die sich nach langem Kampfe end-
lich gegen einander abklären und als Präcipitat dieses politischen
Processes einen dauernden Zustand wenigstens relativer Gesetz-
lichkeit herbeiführen.
Besonders durchgrelfend wird der Kampf zwischen ursprüng-
licher Freieigenheitsverfassung und dem Lehenwesen, in Beziehung
auf das älteste größere gesellschaftliche Verhältniß der einzelnen
deutschen Völker, auf die Gauverfassung. Was Thüringen
betrifft, so begegnen wir auch dort der Eintheilung in Gaue,
pagi, mit ihren Unterabtheilungen, den Zenten, die seit dem
8. Jahrhundert überhaupt in Deutschland herrschend ge-
worden war. Der natürlichen Beschaffenheit des Bodens an-
gepaßt und durch Wald, Gebirge oder Flüsse begrenzt, waren
diese Gaue von sehr verschiedener Größe und führten ihre Na-
men meist nach Flüssen oder Bächen, gerade in Thüringen aber
auch viele nach ihren Bewohnern. Der Gaugrafen, die an
der Spitze derselben standen, ist bereits oben gedacht wor-
den. Allein die Zeit, wo diese alte Gauverfassung in unge-
störter Wirksamkeit bestand, war nur von kurzer Dauer. Hatte
schon seit dem 8. Jahrhundert ihre Auflösung damit be-
gonnen, daß durch Verleihung der Immunität an Bischöfe und
Klöster einzelne Grundstücke von der Gerichtsbarkeit des Zent-
verbandes losgelöst und dem von dem Bischofe oder dem Abte
ernannten Vogte, der in allen Stücken an die Stelle des Grafen
trat, unterworfen wurde, so folgte seit dem 11. Jahrhundert