Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

Die Slaven in der Mark. 69 
eine noch viel durchgreifendere Veränderung, indem Bischöfe 
und Klöster in den Besitz des Grafenamtes selbst, sei es über 
den ganzen Gau oder über einzelne Zenten, gelangten; dadurch 
verschwanden zwar die Immunitätsgerichte, aber in den Zent- 
gerichten führte nun statt des Grafen der mit dem Amte be- 
lehnte Vogt den Vorsitz. Oder das Grafenamt wurde erblich 
und, wenn mehre Erben vorhanden waren, getheilt; an anderen 
Orten wurden die Zenten zerrissen, indem die erblichen Grafen 
und Vögte einzelne Grundstücke oder einen Theil der Gerichts- 
barkeit verkauften, vertauschten, verpfändeten oder ihre Mi- 
nisterialen damit belehnten oder mehre Miterber ihre Rechte 
theilten. 71 
Während aber Thüringen an diesem allgemeinen Zersetzungs- 
proceß, der von der alten Gauverfassung zu der späteren Feudal- 
verfassung hinüberleitete, Theil nahm, entwickelten sich die Zu- 
stände in der Mark, d. h. nunmehr in dem jenseits der alten 
Reichsgrenze gelegenen eroberten Gebiete, von welchem aus die 
Eroberung allmählich gegen Osten weiterschritt, in einer hier- 
von wesentlich verschiedenen Weise. Nach dem Wenigen, was 
wir von dem Zustande der Sorben in dem Zeltpunkte ihrer 
Unterwerfung wissen, befanden sich unter ihnen viele Unfreie; 
die gervi, coloni, mancipia, die in Urkunden vorkommen, die 
an der Scholle haftenden smurden stammen ohne Zweifel schon 
aus der Zeit vor der deutschen Eroberung; sie vertauschten 
durch dieselbe die bisherige Knechtschaft nur mit einer anderen. 
Ein zahlreicher Stand von grundbesitzenden Freien wie unter 
den Deutschen war nicht vorhanden. ÜUberhaupt aber kann 
die sorbische Bevölkerung, von Anfang an nicht sehr dicht und 
obendrein durch die langwierigen Kriege vermindert, im Ver- 
gleich zu der zahlreichen deutschen Ansiedelung nur den geringeren 
Theil der Einwohnerschaft ausgemacht haben. Die Deutschen 
wählten für ihre Niederlassungen vorzugsweise den höheren, 
waldreichen Boden, in den Niederungen blieben neben den fast 
ausschließlich von Deutschen bewohnten Städten, den Burgen 
1) Thudichum, Gau= und Markverfassung in Deutschland (1860), 
S. Boff. ··
	        
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