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Die Bürgerschaft genießt den Schutz des § 106 Strafgesetzbuch
gegen Vergewaltigung. Zur Verfolgung einer Beleidigung der
Bürgerschaft ist ihre Ermächtigung erforderlich (Strafgesetzbuch § 197).
D. Organisation und Geschäftsgang
der Bürgerschaft.
827.
Die Organisation und die Geschäftsformen der Bürgerschaft sind
im Wesentlichen die parlamentarisch gebräuchlichen. Einige Unter—
schiede ergeben sich aus ihrer grundsätzlich unabhängigen und gleich—
geordneten Stellung gegenüber dem Senat.
A. Das Bürgeramt.
1. Geschichtliches.
Unter der alten Verfassung hatte das Kollegium der Elterleute,
der Vorstand der Kaufmannschaft, als ständiger Ausschuß des Bürger—
konventes eine bedeutsame politische Stellung; es bewahrte in seinem
Archiv die Akten des Bürgerkonvents auf, bereitete seine Verhandlungen
vor und wuchs sich zeitweise zu einer Art Nebenregierung neben dem
Senat aus.1) Die Verfassung von 1849 nahm ihm seine politische
Stellung; an seine Stelle setzte sie als Ausschuß der Bürger-
schaft das Bürgeramt, dem aber nicht materielle Befugnisse als
Staatsorgan, sondern nur die Leitung der Geschäfte der Bürgerschaft
und die formelle Kommunikation mit dem Senat übertragen wurde.2)
Diese Stellung ist dem Bürgeramt geblieben.
2. Zusammensetzung:
Das Bürgeramt besteht aus dem Geschäftsvorstand der Bürger-
schaft und achtzehn andern Bürgerschaftsmitgliedern (Verf. § 46).
Den Geschäftsvorstand bilden der Präsident, die zwei
Vizepräsidenten, vier Schriftführer und der Archivar (Verf. § 45;
Gesch. O. § 2). Sie werden von der ganzen Bürgerschaft gewählt
1) oben § 2 S. 5.
2) Protokolle der Verfassungsdeputation Bd. I S. 67 f. Weitergehende
Befugnisse haben die in Hamburg und Lübeck als „Bürgerausschuß“ bestehenden
Ausschüsse der Bürgerschaft; ihre Zustimmung ersetzt in bestimmten Fällen
die der Bürgerschaft; so können sie im Etat nicht vorgesehene Ausgaben und
Veräußerungen von Staatsgrundstücken bis zu einer bestimmten Höhe (5000
bezw. 6000 ∆%) genehmigen. Hamb. Verf. Art. 60; Lüb. Verf. Art. 69.