Die Massenseele. 13
Leben, sondern auch in den intellektuellen Funktionen die
unbewußten Phänomene eine überwiegende Rolle spielen. Das
bewußte Geistesleben stellt nur einen recht geringen Teil neben
dem unbewußten Seelenleben dar. Die feinste Analyse, die
schärfste Beobachtung gelangt nur zu einer kleinen Anzahl
bewußter Motive des Seelenlebens. Unsere bewußten Akte
leiten sich aus einem, besonders durch Vererbungseinflüsse
geschaffenen, unbewußten Substrat her. Dieses enthält die
zahllosen Ahnenspuren, aus denen sich die Rassenseele kon-
stitwiert. Hinter den eingestandenen Motiven unserer Hand-
lungen gibt es zweifellos die geheimen Gründe, die wir nicht
eingestehen, hinter diesen aber liegen noch geheimere, die wir
nicht einmal kennen. Die Mehrzahl unserer alltäglichen Hand-
lungen ist nur die Wirkung verborgener, uns entgehender Motive.
Es sind vornehmlich die der Rassenseele zugrunde liegen-
den unbewußten Elemente, wodurch sich alle Individuen dieser
Rasse ähneln, und sie, die Produkte der Erziehung, noch mehr
aber einer außerordentlichen Erblichkeit, sind es auch, wo-
durch sie sich unterscheiden. Die an Intelligenz unähnlichsten
Menschen haben äußerst ähnliche Triebe, Leidenschaften und
Gefühle. In allem, was Gegenstand des Gefühls ist: Religion,
Politik, Moral, Sympathien und Antipathien usw., überragen
die ausgezeichnetsten Menschen nur sehr selten das Niveau
der gewöhnlichsten Individuen. Zwischen einem großen Mathe-
matiker und seinem Schuster kann intellektuell ein Abgrund
klaffen, aber hinsichtlich des Charakters ist der Unterschied sehr
oft nichtig oder sehr gering.
Nun sind eben diese allgemeinen Charaktereigenschaften,
die vom Unbewußten beherrscht und die der Mehrzahl der
normalen Vertreter einer Rasse ziemlich gleichmäßig zukommen,
dasjenige, was in den Massen vergemeinschaftlicht wird. In
der Kollektivseele verwischen sich die intellektuellen Fähig-
keiten und damit auch die Individualität der Individuen. Das
Heterogene versinkt im Homogenen, und es überwiegen die
unbewußten Qualitäten.