Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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Gesellschaft. Die selbständige Staatsgewalt ist unterlegen, und 
die sozialen Kämpfe spielen sich ohne weiteres im Staate ab. Die 
dekorativen Spitzen des parlamentarischen Königtums und der 
parlamentarischen Präsidentschaft bringen den selbständigen Staats- 
gedanken nicht zur Geltung, die selbständige Präsidentschaft ist 
ihrerseits ein Erzeugnis der Partei. 
In dem moanarchischen Prinzipe verkörpert sich die Selb- 
ständigkeit des Staates gegenüber der Gesellschaft. An sich läge 
die Annahme nahe, daß die absolute Monarchie den Aufgaben des 
Staates in höherem Maße gerecht werden könnte als die konsti- 
tutionelle. Allerdings trifft das zu für Zeiten, in denen die Über- 
wältigung des Staates seitens sozialer Mächte durch die scharfe 
Ausprägung des selbständigen Staatsgedankens gebrochen werden 
muß wie im Beginne der Neuzeit durch den Kampf mit dem Stände- 
tume. Doch wenn sich diese Aufgabe erfüllt hat, ist die Zeit der 
absoluten Monarchie vorüber. In ihren letzten Stadien ist die 
absolute Monarchie gegenüber den Strömungen der öffentlichen 
Meinung viel schwächer als die konstitutionelle, die einen Teil ihrer 
Verantwortlichkeit im geschichtlich-politischen Sinne auf die Volks- 
vertretung ablädt. 
In der konstitutionellen Monarchie verkörpert sich dagegen 
der selbständige Staat, der den sozialen Mächten nicht unterworfen, 
doch auf ein Zusammenwirken mit ihnen angewiesen ist. In ihr 
wird die Erfüllung der wahren Aufgabe des Staates nach innen 
gewährleistet, Quelle ausgleichender Gerechtigkeit zu sein. Der 
Staat steht aber der Gesellschaft nicht wie in der Zeit des Ab- 
solutismus als etwas Fremdes gegenüber. Er läßt vielmehr in 
konstitutionellen Formen der Mitwirkung der Gesellschaft freien 
Raum. Der Ausgleich der sozialen Interessen vollzieht sich unter 
der Agide des Staates. So bedeutet die konstitutionelle Monarchie 
die Versöhnung von Staat und Gesellschaft. Sie ist aber nur die 
moderne Form dessen, was schon Tacitus mit Staunen als das 
Zeichen der germanischen Staatsbildung erkannte, die Vereinigung 
der dem Altertume unvereinbar erscheinenden Gegensätze von Im- 
perium und libertas.
	        
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