Full text: Grundriß des Verwaltungsrechts in Preußen und dem Deutschen Reiche.

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eine sehr gezwungene Auslegung hinweghelfen, indem man unter 
Lasten solche finanzieller Natur und unter den den Staatsbürgern 
Verpflichtungen auferlegenden solche verstand, deren Erfüllung es 
notwendig machte, den Staatsangehörigen besondere, über die all- 
gemeinen Untertanenpflichten hinausgehende Verbindlichkeiten auf- 
zuerlegen. 
Die Streitfragen des preußischen Rechts haben jedoch, da die 
meisten und wichtigsten Verträge jetzt vom Reiche abgeschlossen 
werden, jetzt an Bedeutung verloren. 
Die Reichsverfassung enthält in Art. 11 eine erheblich bessere 
Fassung, schließt jedoch keineswegs alle Zweifel aus. Soweit die 
Verträge sich auf die Gegenstände beziehen, die nach Art. 4 in den 
Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschlusse die 
Zustimmung des Bundesrates und zu ihrer Gültigkeit die Geneh- 
migung des Reichstages erforderlich. Auch hier sind die beiden 
Fragen zu unterscheiden, in welchem Stadium und zu welchen 
Verträgen es der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften 
bedarf. 
In welchem Stadium? Nach dem Wortlaute könnte es 
scheinen, als nähmen Bundesrat und Reichstag eine verschiedene 
Stellung ein. Doch das ist nur Schein. Die Zustimmung des 
Bundesrates ist zum Abschlusse notwendig, der Kaiser darf ohne 
sie nicht ratifizieren. Und ein ohne Genehmigung des Reichstages 
abgeschlossener Vertrag ist ungültig, es fehlt ihm etwas an rechts- 
gültigen Zustandekommen. Beides ist im wesentlichen dasselbe. 
Der Kaiser bedarf zum Abschlusse, also vor der Ratifikation, der 
Zustimmung von Bundesrat und Reichstag. 
Und zu welchen Verträgen? Hier ist sich der Gesetzgeber 
wenigstens bewußt, aus welchem Grunde die Zustimmung der ge- 
setzgebenden Faktoren erforderlich ist, weil der Gegenstand in das 
Gebiet der Reichsgesetzgebung fällt. Es wird dabei allgemein an- 
erkannt, daß die Worte „nach Art. 4“ als überflüssig zu streichen 
sind. Es würde also die Zustimmung auch dann erforderlich sein, 
wenn der Gegenstand nicht nach Art. 4, sondern nach einem an- 
deren Artikel, z. B. nach Art 73 in den Bereich der Reichsgesetz- 
gebung fiele.
	        
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