8 78 Das Wesen des Gesetzes. 519
demnach aus der Begriffsbestimmung auch nichts dafür ergeben, welche
Gegenstände durch Gesetz, d. h. durch eine mit Zustimmung des Land-
tages erlassene Erklärung des Königs zu regeln sind. Diese Frage
beantwortet sich aus den Bestimmungen der Verfassungsurkunde, dem
zur Zeit ihres Erlasses geltenden Rechte und späteren Sonder-
gesetzen. Da auch das Recht vor Erlaß der Verfassungsurkunde noch
in Betracht kommt, kann der frühere materielle Gesetzesbegriff für die
Frage, was heute Gegenstand der Gesetzgebung ist, noch von Bedeutung
werden. Gleichwohl ist daran festzuhalten, daß der heutige Gesetzes-
begriff ein rein formeller ist.
Art. 62 der Verfassungsurkunde besagt, daß die gesetzgebende
Gewalt gemeinschaftlich durch den König und die beiden Häuser des
Landtages ausgeübt wird und zwar derart, daß die Uebereinstimmung
des Königs und beider Häuser zu jedem Gesetze erforderlich ist. Es
ist nur die Ausübung der Gesetzgebung, nicht das Gesetzgebungs-
recht selbst dem Könige in Gemeinschaft mit den beiden Häusern zu-
ständig. Wem das Gesetzgebungsrecht selbst zusteht, beantwortet sich
aus dem bisher geltenden Rechte, nämlich aus § 6 II, 13 A. L.-R.,
wonach der König das Recht der Gesetzgebung hat. Das Recht ist
dem Könige voll und ungeteilt geblieben, nur die Ausübung des
Rechtes ist auf den König und den Landtag gemeinsam übergegangen.
Die Teilnahme der Volksvertretung an der Gesetzgebung kann
man nicht beschränken auf die Feststellung des Gesetzesinhaltes, wäh-
rend man den Erlaß des Gesetzesbefehles dem Herrscher vorbehälto).
Diese Auffassung setzt einen Gesetzesbegriff voraus, der zugleich formeller
und materieller Natur ist, sie faßt das Gesetz auf als staatliche An-
ordnung eines Rechtssatzes. Nun ist aber nach preußischem Staats-
rechte der Inhalt der Anordnung für den Gesetzesbegriff gleichgültig.
Man könnte nun allerdings behaupten, daß jedes Gesetz doch irgend
einen Inhalt haben muß, und daher gleichwohl die Teilnahme der
Begriff, aus dem sich nichts für den Inhalt ergibt, also ohne Erbes-
einsetzung, beweist der Cocde civil art. 967 und das B. G.-B. 88 1838 ff., und
nichts würde den Gesetzgeber hindern, auch den Begriff des Wechsels oder
der Auflassung in ähnlicher Weise zu gestalten.
") Dies ist bekanntlich die auch von Seydel angenommene Lehre
von Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, S. 21 ff.
Vgl. auch 8 71, wo die Widerlegung der Labandschen Ansicht vom
allgemeinen Standpunkte aus gegeben werden mußte.