Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 117 Geschichtliche Entwicklung der Kreisverfassungen. 275 
Es lag dies in erster Linie daran, daß in den Gebieten, 
in denen Großgrundbesitz und Gutsherrlichkeit nicht vorherrschten, 
die Aemter wirklich lebensfähige staatliche Verwaltungsbezirke waren 
und nicht den patrimonialen Charakter erhalten hatten wie im 
Osten. Durch Bildung der Kreise an Stelle der kleineren Amts- 
bezirke verlor die an letztere anknüpfende Selbstverwaltung der 
bäuerlichen Besitzer ihren Halt. Andererseits waren die Bauern 
außerstande, sich an der Verwaltung der weit größeren Kreise zu 
beteiligen, ein hierzu fähiger Großgrundbesitz fehlte aber fast voll- 
ständig. So geeignet die Kreisverfassung für die gesellschaftlichen 
Verhältnisse des Ostens war, so konnte sie doch auf den Westen 
mit seinem vorherrschenden Kleingrundbesitze nur mit erheblichen 
Einschränkungen, namentlich nur unter bedeutender Verkleinerung 
der Kreise übertragen werden. Dieser Aufgabe ist das preußische 
Beamtentum des 18. Jahrhunderts nicht gerecht geworden. Wo 
die Bildung von Selbstverwaltungskörpern irgendwelche Schwierig- 
keiten machte, ging man zu rein büreaukratischen Organisationen 
über. Die Kreisverfassungen werden immer unvollkommener, je 
mehr das Jahrhundert sich seinem Ende nähert, und erreichen 
endlich den höchsten Grad büreaukratischer Schablone in den 1803 
erworbenen Entschädigungslanden. Am besten gelungen ist die 
organische Verbindung ständischer Selbstverwaltung mit der all- 
gemeinen Landesverwaltung in den Landesteilen, auf welche die 
Kreisverfassung zuerst übertragen wurde, in dem Fürstentume 
Halberstadt, dem Mindener Kammerdepartement, Schlesien und 
Ostfriesland. 
In Halberstadt herrschten ungefähr dieselben politischen Zu- 
stände wie in Magdeburg. Die Umbildung der alten, rein stän- 
dischen Organisationen zu einer Kreisverfassung nach dem Vorbilde 
der magdeburger, welche unter Friedrich Wilhelm I. stattfand, 
bot daher keine besonderen Schwierigkeiten. Im Mindener Kammer- 
departement wurden die ehemaligen Gebiete, aus denen es sich 
zusammensetzte, das Fürstentum Minden, die Grafschaften Ravens- 
berg, Tecklenburg und Lingen, die Grundlagen der Kreisverfassung. 
Die Landtage dieser Gebiete traten einfach an die Stelle der Kreis- 
tage. Demnächst wurden 1727 für Minden und Ravensberg je 
zwei, für Tecklenburg ein Landrat bestellt, während Lingen von 
einem Deputierten der Mindener Kriegs= und Domänenkammer 
18°
	        
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