Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 188 Wesen der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 449 
halb der Grenzen ihres Amtes, sie handeln als Behörden des 
Staates, auch die rechtsirrtümliche Anwendung des Verwaltungs- 
rechts ist Vollziehung verwaltungsrechtlicher Normen. Demgegen- 
über ist die Verwaltungsklage gegeben. Die darauf zu erlassende 
Entscheidung ist daher nicht ein Urteil über verwaltungsrechtliche 
Inzidentpunkte im Zivil= oder Strafprozesse, sondern Anwendung 
des Verwaltungsrechtes. Diese Rechtsanwendung hat aber, da 
sie gegenüber Handlungen anderer Staatsbehörden stattfindet und 
diese vom Rechtsstandpunkte aus beaufsichtigt, den Charakter des 
Aufsichtsrechtes einer Behörde über die andere. 
Nicht nur die Rücksicht auf die mangelhafte verwaltungsrecht- 
liche Kenntnis der Mitglieder der ordentlichen Gerichte, sondern 
das Wesen der Verwaltungsgerichtsbarkeit als eines Aufsichts- 
rechtes erfordert daher besondere Verwaltungsgerichte. Während 
Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, die ebenfalls innerlich voneinander 
durchaus verschieden sind, gleichwohl in einem einzigen Behörden- 
organismus vereinigt werden können und in Deutschland von 
jeher vereinigt werden, ist dies bei der Verwaltungsgerichtsbar- 
keit unmöglich. Es würde zu einer Auflösung der Verwaltung 
führen, wollte man allgemein den Amts- und Landgerichten die 
Beaussichtigung der Verwaltungsbehörden übertragen. Wenn auch 
in einzelnen Fällen lediglich aus geschichtlichen Gründen eine 
Verwaltungsgerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte noch besteht, 
so ist doch die preußische Gesetzgebung weit davon entfernt, diesen 
Justand zu einem allgemeinen zu machen. 
Diese Kontrolle einer Behörde über die andere vom Rechts- 
standpunkte aus wird aber ausgeübt in den Formen des Prozesses 
und durch Behörden in richterlicher Unabhängigkeit. 
Das Wesen der Verwaltungsgerichtsbarkeit besteht daher 
in der Handhabung der Aussicht gegenüber Verwaltungshand- 
lungen der Behörden vom Rechtsstandpunkte aus, d. h. durch 
erwirklichung der Verwaltungsrechtsnormen und zwar seitens 
anderer Staatsorgane in richterlicher Unabhängigkeit und in 
prozessualischen Formen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit bringt 
objektives Recht zur Vollziehung, ohne daß aus dem objektiven 
Rechte sich in jedem einzelnen Falle eine subjektive Berechtigung 
geben müßte. Sie bringt es ferner zur Vollziehung, ohne gleich 
zeitig eine Sühne für den Rechtsbruch eintreten zu lassen. Die 
Vornhal, Preußisches Staatsrecht II. 2. Nufl. 29
	        
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