Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

4 Das Verwaltungsrecht. 8149 
Art. 11 der Reichsverfassung gesteht dem Kaiser das Recht 
zu, krast seiner völkerrechtlichen Vertretungsbefugnis namens des 
Reiches Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, sowie Bünd- 
nisse einzugehen. Die entsprechende Befugnis ist den Einzelstaaten 
zwar nicht ausdrücklich entzogen. Die Ausschließung jeder Zu- 
ständigkeit der Einzelstaaten ergibt sich jedoch gauz von selbst, 
da das deutsche Heer unter dem Befehle des Kaisers steht, und 
die Kontingentsherren nur einzelne, verfassungsmäßig bestimmte 
Rechte gegenüber ihren Kontingenten genießen. Eine Kriegs- 
erklärung abgeben oder Bündnisse abschließen kann aber nur ein 
Staat, der in der Lage ist, über seine Kriegsmacht zu verfügen. 
Mit einer Kriegserklärung oder dem Abschlusse eines Bündnis- 
vertrages würde sich demnach ein deutscher Einzelstaat ein solches 
Verfügungsrecht, welches er tatsächlich gar nicht besitzt, aumaßen 
und sich damit in Widerspruch zu den Bestimmungen der Reichs- 
verfassung setzen. Deshalb muß auch ohne ausdrückliche Vorschrift 
der Reichsverfassung jede Entscheidung über Krieg und Frieden 
und jedes Bündnisrecht den Einzelstaaten abgesprochen werden. 
Aehnlich liegt das Rechtsverhältnis bei den Handelsverträgen. 
Unter diesen werden hier dem gewöhnlichen völkerrechtlichen Sprach- 
gebrauche gemäß Verträge verstanden, welche Abkommen enthalten 
über die Bedingungen des Eingangs von Waren aus einem Lande 
in das anderc. Art. 11 der Reichsverfassung ermächtigt den Kaiser 
außer zu Kriegserklärungen, Friedensschlüssen und zur Eingehung 
von Bündnissen auch zum Abschlusse sonstiger Verträge innerhalb 
der Reichszuständigkeit, beispielsweise also zum Abschlusse von 
Handelsverträgen. Daß die Einzelstaaten keine Handelsverträge 
mehr abschließen dürften, ist nicht gesagt. Art. 33, 35 der Reichs- 
verfassung erklären jedoch Deutschland für ein Zoll- und Handels- 
gebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze, und behalten 
die Gesetzgebung über das Zollwesen ausschließlich der Reichs- 
gesetzgebung vor. Ein Einzelstaat kann daher gar keine Be- 
stimmungen mehr treffen über die Bedingungen des Einganges 
von Waren über seine Grenze und demgemähß auch keine Handels- 
verträge mehr abschließen. Das gleiche ist der Fall bei Schiffahrts- 
verträgen, da nach Art. 54 der Reichsverfassung die Kauffahrtei- 
schisse aller Bundesstaaten eine einheitliche Handelsmarine bilden, 
und nur das Reich auf fremde Schiffe und deren Ladungen höhere
	        
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