l159 Der Organismus der Gerichtsbehörden. 95
Von diesen reichsrechtlichen Ermächtigungen hat Preußen in
der Weise Gebrauch gemacht, daß es besondere Gerichte errichtete
oder beibehielt für Rheinschiffahrts= und Elbzollsachen, für guts-
herrlich-bäuerliche Verhältnisse und für die Gerichtsbarkeit über
Mitglieder des königlichen Hauses und des fürstlichen Hauses
Hohenzollern. Die Gerichte für die gutsherrlich-bäuerlichen Ver-
hältnisse werden bei dem betreffenden Verwaltungszweige mit zu
behandeln sein. Es bleiben also hier als besondere Gerichte Preußens
nur übrig die Rheinschiffahrts= und Elbzollgerichte und der Ge-
heime Justizrat.
1. Die Rheinschiffahrtsgerichte sind begründet worden durch
eine Uebereinkunft der Rheinuferstaaten vom 31. März 183 120),
welche durch die Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868½1)
verschiedene Abänderungen erfuhr. Hiernach hatten sich die be-
teiligten Staaten zur Errichtung von Rheinschiffahrtsgerichten in
geeigneten am Rhein oder in dessen Nähe gelegenen Orten ver-
pflichtet. Die Ausführung der Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober
1868 erfolgte für Preußen durch ein Gesetz vom 9. März 1870 ).
Hiernach gehört zur Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte: a. in
Strafsachen die Untersuchung und Entscheidung aller Zuwider-
handlungen gegen die schiffahrts= und strompolizeilichen Vor-
schriften, b. in Zivilsachen die Entscheidung im summarischen
Prozeßverfahren über Klagen &. wegen Zahlung der Lotsen-,
Krahn-, Wagen-, Hafen= und Bohlwerksgebühren und ihres Be-
trages, . wegen der von Privatpersonen vorgenommenen Hemmung
des Leinpfades, F. wegen der Beschädigungen, welche Schiffer und
Flößer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden anderen ver-
ursacht haben, 9. wegen der den Eigentümern der Zugpferde beim
Heraufziehen der Schiffe zur Last gelegten Beschädigungen am
Grundeigentum.
Da die Errichtung der Rheinschiffahrtsgerichte auf einem
völkerrechtlichen Vertrage beruhte, an dem nicht nur deutsche
Staaten beteiligt waren, so konnten diese Gerichte durch das Ge-
richtsverfassungsgesetz nicht aufgehoben werden. Ihr Verfahren
ist jedoch im Anschlusse an die Reichsjustizgesetze neu geregelt
worden durch das preußische Gesetz vom 8. März 18796). Hiernach
10) GS. 1831, S. 73. 11) GS. 1869, S. 798.
12) GS. 1870, S. 179. 13) GS. 1879, S. 129.