Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

114 Das Verwaltungsrecht. 8162 
seinem Belieben dem Zivilprozesse zugrunde legen könnte oder 
nicht, sie ist vielmehr die notwendige Folge davon, daß es sich bei 
dem Zivilprozesse um die Anwendung der Privatrechtsnormen durch 
die Entscheidung über wenigstens der Ausübung nach verzichtbare 
subjektive Privatrechte handelt. Ein Zivilprozeß ohne Verhand— 
lungsmaxime ist also überhaupt undenkbar, ein solcher wäre ein 
unlösbarer innerer Widerspruch, eine logische Ungeheuerlichkeit. 
Auch bei Einführung des Inquisitionsprinzipes in den Zivilprozeß 
durch die preußische Allgemeine Gerichtsordnung lag im Grunde 
genommen nicht eine Beseitigung der Verhandlungsmaxime, sondern 
eine besondere Art ihrer Anwendung vor. Von dem Gesichtspunkte 
ausgehend, daß Verzichte im allgemeinen nicht zu vermuten seien, 
sollte der Richter von Amts wegen erforschen, ob nicht Tatsachen 
vorlägen, welche die Parteien außer acht gelassen hätten, obgleich 
sie zur Begründung ihrer Rechte dienlich sein konnten. Einem 
ausdrücklichen Verzichte gegenüber hielt jedoch das Inquisitions- 
prinzip der Allgemeinen Gerichtsordnung keineswegs Stand, so 
daß etwa einer Partei Rechte zugesprochen wären, die sie nicht haben 
wollte. Es war also nichts anderes, als eine aus dem Wesen des 
fürsorgenden Polizeistaates erklärliche Umgestaltung der jedem 
Zivilprozesse unbedingt wesentlichen Verhandlungsmaxime. 
Auf einer ganz anderen Grundlage ruht dagegen die Straf- 
rechtspflege. Auch hier ist auszugehen von der Natur der an- 
zuwendenden Rechtsnormen. Die Strafrechtsnormen sind ebenfalls 
von den Normen der übrigen Rechtsgebiete wesentlich verschieden. 
Sie haben im allgemeinen einen ziemlich gleichmäßigen Inhalt, 
indem sie die Anordnung treffen, daß wenn jemand eine gewisse 
Handlung oder Unterlassung begangen hat, er in bestimmter Weise 
bestraft werden soll. Diese Rechtssätze des besonderen Teiles des 
Strafrechts werden dann weiter ausgeführt in den Vorschriften über 
die Strafen, sie werden teilweise ausgehoben und abgeändert in den 
Vorschriften über die Strafausschließungs= und Milderungsgründe. 
Damit ist der Inhalt des gesamten Strafrechts erschöpft. Es umfaßt 
also die Normen darüber, wie der Bruch der strafrechtlich geschützten 
Rechtsordnung zu fühnen ist, es trifft die Bestimmungen, wie die staat- 
lichen Behörden die Personen, welche eine strafbare Handlung be- 
gehen, zu bestrafen haben. Die Strafrechtsnormen enthalten also ein 
doppeltes, sie verbieten den Menschen gewisse Handlungen unter
	        
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