10 Das Verwaltungsrecht. 8 150
§ 100. Die Organc der ansmärtigen Verwaltung.
Die völkerrechtliche Vertretung des Norddeutschen Bundes er-
solgte anfangs durch die preußischen Vertretungen im Auslande
unter Leitung des preußischen Ministeriums der auswärtigen An-
gelegenheiten. Nachdem bereits das preußische Konsulatswesen auf
den Bund übertragen worden war, wurde jedoch auf Grund über-
einstimmender Beschlüsse des preußischen Landtages und des nord-
deutschen Reichstages vom 1. Januar 1870 ab das preußische
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und sein Budget
vollständig auf den Bund übernommen. Die bisherigen diploma-
tischen Vertretungen Preußens im Auslande wurden damit zu
Organen der Bundesverwaltung, das preußische Ministerium der
auswärtigen Angelegenheiten zum Auswärtigen Amte des Nord-
deutschen Bundes. An die Stelle des Norddeutschen Bundes ist
von Rechts wegen das Deutsche Reich getreten und die dem Bunde
zustehende auswärtige Verwaltung somit zur Reichsverwaltung
geworden.
Gleichwohl war es nicht durchführbar, die besonderen Organe
einer auswärtigen Verwaltung Preußens allgemein zugunsten des
Reiches zu beseitigen, und zwar mit Rücksicht auf das Verhältnis
der deutschen Staaten untereinander. Abgesehen davon, daß politisch
die größten Bedenken obwalten mußten, die Gesandten der deutschen
Einzelstaaten beim Kaiser als solchen und umgekehrt Reichsgesandte
bei den deutschen Einzelstaaten zu beglaubigen, hätte ein solches
Verhältnis auch der staatsrechtlichen Natur des Reiches wider-
sprochen. Die Reichsstaatsgewalt ruht bei der Gesamtheit der ver-
bündeten Regierungen, und der Kaiser ist nur deren Vertreter.
Daraus ergibt sich die Unmöglichkeit eines diplomatischen Ver-
kehrs zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten. Denn da jeder
deutsche Staat Mitträger der Reichsstaatsgewalt ist, würde darin
teilweise ein diplomatischer Verkehr des Staates mit sich selbst
liegen, ein solcher ist aber ein Widerspruch in sich selbst. Die
preußischen Vertretungen bei den deutschen Bundesstaaten mußten
daher als solche aufrecht erhalten und konnten nicht in Vertretungen
des Reiches verwandelt werden.
Aus wesentlich anderen Gründen ergab sich die Notwendigkeit
einer preußischen statt einer Reichsgesandtschaft beim Vatikane.
Bis zum Jahre 1870 hatte die preußische Gesandtschaft in Rom