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236 Das Verwaltungsrecht.
Ein erschöpfend kodifiziertes Baupolizeirecht, wie es ver—
schiedene kleinere deutsche Staaten haben, gibt es in Preußen nicht.
Es beruht zum größten Teile auf Polizeiverordnungen einzeln
Ortschaften oder auch größerer Bezirke, auf deren gesetzliche Grund-
lagen später zurückzukommen sein wird. Nur einige Gegenstände
des Baupolizeirechtes haben eine gesetzliche Regelung erfahren.
Den Ausgangspunkt des Baupolizeirechtes bildet die sich aus
dem Eigentumsbegriffe ergebende Befugnis jedes Grundeigen=
tümers, sein Grundstück nach freiem Belieben zu bebauen. Dieser
Ausfluß des Privateigentums ist aber verschiedenen öffentlichen
Beschränkungen unterworfen, und der Jnbegriff dieser Beschrän-
kungen ist der Gegenstand des Baupolizeirechtes.
Jeder Bau kann nur errichtet werden innerhalb einer Ortschaft
oder außerhalb einer solchen. Für beide Fälle bestehen besondere
gesetzliche Beschränkungen der privatrechtlichen Baufreiheit, die man
im ersteren Falle unter der Bezeichnung des Fluchteurechts, im
letzteren unter der des Ansiedlungsrechtes zusammenfassen kann.-
Bei Banten innerhalb der Ortschaften kann jeder Eigentümer
nach der Fluchtlinie zu bauen verpflichtet werden. Bis in die
neuere Zeit wurden die Fluchtlinien, die zugleich Straßen= und
Baufluchtlinien waren, von der Polizei im baupolizeilichen Inter-
esse festgesetzt. An Stelle dieser freien polizeilichen Regelung ist
jedoch nunmehr die gesetzliche getreten auf Grund des Gesetzes vomt
2. Juli 1875 betreffend die Anlegung und Veränderung von
Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften
welches im ganzen Umfange des Staatsgebietes gilt.
Ordnungspolizei behandelt die Eutsch. des OV . vom 11. Juni 1882
Bd. 9, S. 354. Hier handelte es sich um ein polizeiliches Verbot für die
Grundbesitzer am Fuße des Kreuzbergdenkmals zu Berlin über eine gewisse
Höhe zu bauen, damit die Aussicht von dem Deulmale und seine Ansicht
nicht beeinträchtigt werde. Dieses Verbot wurde nicht als rechtsgültig an“
erkaunt, da eine Verunstaltung nur in der Herbeiführung eines positiv
häßlichen Zustandes, nicht schon in der Verminderung einer vorhandenen
Formschönheit liege. Ebenso Entsch. vom 21. März 1898, Bd. 3), S. 104
vom 15. Juni 1899, Bd. 356, S. 387; 3. Juni 1901, Bd. 10, S. 399.
5) GS. 1875, S. 561. Einuhrung in Lauenburg durch Gesetz vom
20. Februar 1878 — GE. 1878, S. )97 — § 8 Nr. 6. Vgl. dazu den Kom-
mentar von Friedrichs, 5½ Aufl. von Strauß, Berlin 19051
Saran, Berlin 1911, und die Vorschriften für die Aufstellung von