8179 Die Armenstreitsachen. 287
Vorschlag des Bundesrates vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt
werden. Der Vorsitzende und mindestens die Hälfte der Mitglieder
müssen zum Richteramte befähigt sein. Die Mitglieder des Bundes-
amtes sind denen des vormaligen Reichsoberhandelsgerichts be-
züglich der Versetzung in ein anderes Amt, der einstweiligen und
zwangsweisen Versetzung in ein anderes Amt, der einstweiligen und
zwangsweisen Versetzung in den Ruhestand, der Dissziplinar-
bestrafung und der vorläufigen Dienstenthebung gleichgestellt. Zur
Abfassung einer gültigen Entscheidung des Bundesamtes gehört
die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern, von denen
wenigstens eins richterliche Befähigung haben muß. Die Zahl der
bei Fassung eines Beschlusses mitwirkenden Mitglieder muß in
allen Fällen eine ungerade sein. Ist die Zahl eine gerade, so
führt dasjenige Mitglied, welches zuletzt ernannt ist, und bei
gleichem Dienstalter das der Geburt nach jüngere nur eine beratende
Stimme. Im übrigen ist die Regelung des Geschäftsganges bei
dem Bundesamte, insbesondere auch der Befugnisse des Vorsitzenden
einem vom Bundesamte zu entwerfenden Regulative vorbehalten,
das der Bestätigung des Bundesrates bedarf (88 42—45 UW.).).
Das Verfahren vor dem Bundesamte ist reichsrechtlich in
erschöpfender Weise entweder unmittelbar durch das Gesetz oder
durch das gesetzlich vorbehaltene Regulativ geregelt, so daß für
landesgesetzliche Ausführungsbestimmungen kein Platz bleibt. In
Armenstreitsachen zweiter Instanz findet also nicht das Verwal-
tungsstreitverfahren nach Maßgabe des Landesverwaltungsgesetzes,
sondern nur der besondere reichsrechtliche Verwaltungsprozeß statt.
Die Berufung an das Bundesamt ist bei Verlust des Rechts-
mittels binnen vierzehn Tagen von der Behändigung der ange-
gefochtenen Entscheidung an gerechnet, bei derjenigen Behörde, gegen
deren Entscheidung sie gerichtet ist, in Preußen also bei dem Be-
zirksausschusse, schriftlich anzumelden. Die Angabe der Beschwerden,
sowie die Rechtfertigung der Berufung kann entweder zugleich
mit der Anmeldung der letzteren oder innerhalb vier Wochen nach
diesem Termine derselben Behörde eingereicht werden. Von sämt-
lichen Schriftsätzen und etwaigen Anlagen sind Abschriften bei-
zufügen. Die eingegangenen Abschriften werden von dem Bezirks-
7) Val. Regulativ vom 6. Januar 1873 — Centralblatt für das
Deutsche Reich 1873, S. 4 ff. —.