Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

298 Das Verwaltungsrecht. 8180 
zuziehen und die wüste gewordenen ehemaligen Bauernhufen wieder 
zu besetzen. Desgleichen ordnet das Edikt vom 12. Juli 1764 die 
Wiederbesetzung der während des Krieges freigewordenen Höfe bei 
Strafe an. Diese Verpflichtung der Gutsherren zur Besetzung 
der bäuerlichen Stellen ging dann später als allgemeine gesetzliche 
Pflicht in das ALR. II, 7814 über. Es wäre aber verfehlt 
zu glauben, daß damit ein individueller Rechtsschutz der einzelnen 
Bauern in ihrem Besitze hergestellt worden wäre. Der ganze 
Bauernschutz geht aus von dem Interesse des Staates an der Er- 
haltung eines ländlichen Mittelstandes ohne Rücksicht auf den ein- 
zelnen Bauer. Das Ziel des Staates ist der Schutz des Bauern- 
landes und des Bauernstandes, der Gutsherr darf kein Bauernland 
für sich einziehen, und er muß jede wüste Hufe wieder mit Bauern 
besetzen. Innerhalb dieser Grenzen hat aber der Gutsherr im 
allgemeinen volle Handlungsfreiheit. Er kann daher die nicht- 
erblichen Bauernstellen nach Belieben besetzen, einen Bauern ent- 
setzen und zum Tagelöhner machen, ja auch den Bestand der 
Stellen untereinander und das Besitzrecht verändern. So sind 
vielfach infolge der wirtschaftlichen Uebermacht des Großgrund- 
besitzes unter der anerkannten Wirksamkeit des Bauernschutzes die 
lebenslänglichen Untereigentümer der bäuerlichen Stellen in deren 
bloße Zeitpächter und dadurch die Gutsherren in volle Eigentümer 
verwandelt worden. 
Während daher bei den Domänenbauern der größte Teil der 
Sozialreform bereits im 18. Jahrhundert gelöst war, ist bei den 
Privatbauern in dieser Zeit nur der bestehende Zustand erhalten 
worden. Durch den Schutz des Bauernlandes und des Bauern- 
standes in seiner Gesamtheit war die Beseitigung des ländlichen 
Mittelstandes unmöglich gemacht, und damit der Grund gelegt 
für die künftige soziale Reform. Diese selbst ist aber erst im 
19. Jahrhundert erfolgt. n 
Das Edikt vom 9. Oktober 1807 beseitigte teils sofort, teils 
vom Jahre 1810 ab jede persönliche Untertänigkeit des Bauern— 
standes, die bisher nur hinsichtlich der Domänenbauern und auch 
da nicht vollständig aufgehoben worden war. Nach späteren Deklara- 
tionen fiel damit fort das Recht der Gutsherren, für die Frei- 
lassung oder Loslassung der Untertanen Abzugsgelder, von ihren 
Kindern Gesindedienst oder Entschädigung dafür, Schutzgeld von
	        
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