326 Das Verwaltungsrecht. 8182
auf als einen Zwangskauf?). Der Kauf beruht zwar in der Regel
auf wechselseitiger Willensübereinstimmung von Käufer und Ver—
käufer, doch kann ausnahmsweise aus Gründen des öffentlichen
Wohles der Staat seine Angehörigen zum Verkaufe ihres Eigen-
tums zwingen, und dieser erzwungene Kauf ist die Enteignung-
Nicht sowohl die mannigfachen Abweichungen der wechselseitigen
Rechte des Enteigners und des Enteigneten von denen des gewöhn-
lichen Käufers und Verkäufers, wohl aber der begründende Rechts-
akt widerspricht dieser Auffassung. Der Kauf ist ein auf der freien
Willenseinigung der Vertragschließenden beruhendes Rechtsgeschäft.
Wo bei einem Vertragsteile die freie Willensübereinstimmung mit
dem anderen Teile fehlt, da ist kein Kauf vorhanden, Zwangskauf
bedeutet also einen inneren Widerspruch. Vielfach erkannte man
dies wohl, ohne sich jedoch aus den Fesseln des Privatrechts
losmachen zu können, und so erklärte man denn die Enteignung
für ein quasi kontraktliches Rechtsverhältnist). Das erklärt aber
nichts. Das Wort quasi vor den Namen eines Rechtsgeschäftes
oder Rechtsverhältnisses gesetzt, bedeutet nach dem Gebrauche der
römischen wie der heutigen Rechtswissenschaft, daß die betreffende
Einrichtung zwar nicht unter die bezeichnete Art fällt, aber nach
ihrer Analogie zu beurteilen ist. Wenn man also die Enteignung
für ein quasi kontraktliches Verhältnis ausgibt, so heißt das, sie
sei ihrem Wesen nach ein solches nicht. Was sie aber ist, darüber
schweigt man sich aus.
Die dritte Ansicht:) nimmt von einer juristischen Charakteri-
sierung ganz Abstand. Sie begnügt sich mit der Ausführung, daß
unter Umständen das öffentliche Wohl mit dem Privatinteresse
in Widerspruch geraten könne. In diesem Falle müsse ersteres
dem letzteren vorgehen, und diese Entziehung des Privateigentums
im öffentlichen Interesse sei die Enteignung. Daß es sich bei der
Enteignung nicht um einen Widerstreit zwischen Privatrecht und
— — ——
5„) Häberlin S. 200; Förster - Eccius Bd. 2 a. a. O.ZT
Dalcke S. 129; Löbell S. 22; Bähr S. 110; Eger S. 24; die
Kompendien der Pandekten und des deutschen Privatrechts von Wind-
scheid , Beseler und Gerber.
c) G. Meyer, Recht der Expropriation S. 184 ff.; Laband a. a. O-
S. 171 ff.
!) Dernburg a. a. O.; Thiel S. 1; Grünhnut S. 76
Rohland S. 29; v. Stengel, Verwaltungsrecht, S. 197.