388 Das Verwaltungsrecht. 8187
Einrichtung der Gewerberäte und machte bei den meisten Gewerbe—
zweigen den Betrieb des selbständigen Gewerbebetriebes von dem
Beitritte zu einer Innung nach vorherigem Befähigungsnachweise
oder von einer Prüfung abhängig. Erst durch das Gesetz vom
22. Juni 186120) wurde die Gewerbefreiheit wieder bedeutend
erweitert.
Mit dem Erwerbe der neuen Landesteile war die Einheit des
Gewerberechtes wieder zerstört. In den neuen Provinzen bestanden
die verschiedenartigsten Rechtszustände, die sowohl untereinander
wie von dem preußischen Gewerberechte, wie es in der Gewerbe-
ordnung von 1845 und deren Novellen zusammengefaßt war, in
den mannigfachsten Beziehungen abwichen. Die Aufgabe, hier einc
Einheit herzustellen, hat aber nicht mehr Preußen, sondern der
Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich erfüllt. Die ursprüng-
lich nur für den Norddeutschen Bund erlassene Gewerbeordnung
vom 21. Juni 186921) ist später auch auf das übrige Reichsgebiet,
zuletzt auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt worden. Sie hat jedoch
durch eine ganze Reihe von Novellen verschiedene Abänderungen
erfahren. Diese Novellen im einzelnen aufzuführen ist überflüssig.
Die wichtigsten sind das Innungsgesetz vom 18. Juli 1881, das
Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni 1891 und das Handwerkergeseb
vom 26. Juli 1897. Zuletzt ist die Gewerbeordnung auf Grund
des Gesetzes vom 30. Juni 1900 in neuer Fassung veröffentlicht
worden). Danach sind noch die ergänzenden Gesetze vom 30. Mai
und 28. Dezember 190 #), sowie das Gesetz vom 27. Dezember
191124) ergangen. In diesen Novellen spiegelt sich der allmähliche
Wechsel der sozialpolitischen Anschanungen von dem reinen Man-
chestertume zu einer neuen gebundenen sozialen Ordnung. Aeußer=
lich hat die Gewerbeordnung dadurch eine sehr unförmige Gestalt
erhalten. . n!
Das gesamte Gewerberecht beruht daher jetzt auf der durch
die Gewerbeordnung und deren Novellen erfolgten reichsgesetzlichen
20) GS. 1861, S. 664.
21) BGl. 1869, S. 245. Ausf. Anw. vom 4. September 1860,
29. Dezember 1883 und 19. Juli1881— Ml. 1869, S.200; 1884, S. 1 !6%
164 —.
22) RGBl. 1900, S. 871.
2)) RGl. 1908, S. 356, 6067. 4) RGl. 1912, S. 139.