Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

12 Das Verwaltungerecht. 81583 
zum Militärdienste herangezogen werden könnten. Weiterhin be— 
rust man sich für die Dienstherrlichkeit des Reiches über das Land- 
heer gewöhnlich auf die sogenannte militärische Freizügigkeit, d. h. 
auf die Tatsache, daß die Wehrpflichtigen ihren Militärdienst nicht 
in dem Kontingente ihres Heimatstaates zu leisten brauchen, 
sondern in jedem deutschen Kontingente wie in der Kriegsmarine 
des Reiches leisten können. Demgegenüber ist bereits auf die 
Aehnlichkeit der Schulpflicht hingewiesen worden, die zweifellos 
cine Pflicht gegen den Einzelstaat sei, aber gleichwohl außerhalb 
seiner erfüllt werden könnet). Dieser Vergleich paßt nun insofern 
nicht, als die Schulpflicht nicht die Staatsangehörigkeit zur Voraus- 
setzung hat, sondern sich aus dem Wohnsitze ergibt. Ein 
in Berlin wohnender Russe, der seine Kinder in die Schule schickt, 
erfüllt damit eine Pflicht, die er wegen seines Wohnsitzes gegen 
den preußischen Staat hat, ein in Nordamerika wohnender Preuße 
verabsäumt keine Pflicht gegen seinen Staat, wenn er seine Kinder 
ohne Unterricht läßt. Allein die Folgerung aus diesem Vergleiche, 
daß an und für sich die Wehrpflicht gegen den Einzelstaat durch 
den Dienst in einem anderen Kontingente oder in der Marine 
ersüllt werden könne, ist allerdings zutreffend. Bei der voll ver- 
bürgten Gegenseitigkeit kann die militärische Freizügigkeit sehr 
wohl die Bedeutung haben, daß jeder Staat daräuf verzichtet, die 
außerhalb seines Gebiets in Deutschland wohnenden und die sich frei- 
willig bei anderen Kontingenten meldenden Staatsangehörigen zum 
Dienste heranzuziehen und dafür das Recht erhält, die nicht staats- 
angehörigen Deutschen, welche in seinem Gebiete wohnen oder 
sich bei ihm melden, in sein Kontingent einzustellen. Die Möglichkeit 
einer militärischen Freizügigkeit bei fortdauernder Dienstherrlich- 
keit des einzelnen Staates ergibt sich aus dem Verhältnisse, wie 
es vor der Begründung des Deutschen Reiches zwischen dem Nord- 
deutschen Bunde und dem Großherzogtume Baden bestand. Eine 
beiden gemeinsame Oberstaatsgewalt, der der Militärdienst hätte 
geleistet werden können, gab es nicht. Trotz der militärischen 
Freizügigkeit leidet es keinen Zweifel, daß der Kriegsdienst von 
den badischen Truppen dem Staate Baden geleistet wurde, der 
Grosherzog von Baden der Dienstherr seiner Truppen war. Aus 
4) Laband im Archiv für össentliches Necht Bd. 3, S. 519.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.