l 153 Die Kontingentsherrlichkeit. 47
der von ihnen vollzogenen Ernennungen nicht durch die Reichs—
gewalt, sondern durch die betreffenden Landesherren erfolgt. Folge-
richtig müßte die Bekanntmachung der dem Kaiser als solchen zu-
stehenden Ernennungen von Reichs wegen erfolgen. Allein auch
diese Folgerung wird wieder durch eine ausdrückliche Bestimmung
in Art. 66 der Reichsverfassung abgeschnitten. Hiernach erhalten
die Kontingentsherren behufs der nötigen landesherrlichen Publi-
kation rechtzeitig Mitteilung von den die betreffenden Truppen-
teile berührenden Avancements und Ernennungen. Den Landes-
herren ist also verfassungsmäßig übertragen die Ernennung der
Offiziere mit gewissen Ausnahmen und Beschränkungen und die
Bekanntmachung aller Personalien des Kontingents, mögen die
Ernennungen von ihnen oder von dem Kaiser ausgegangen sein.
Die Kontingentsherren haben weiterhin das Recht, die äußeren
Abzeichen (Kokarden usw.) für ihre Kontingente zu bestimmen
(Art. 63 RV.). Auch hier handelt es sich um eine auf ausdrücklicher
reichsrechtlichen Uebertragung beruhende Art von Armeebefehlen.
Endlich steht den Kontingentsherren das Recht zu, zu polizei-
lichen Zwecken nicht bloß ihre eigenen Truppen zu verwenden,
sondern auch alle anderen Truppenteile des Reichsheeres, welche
in ihren Ländern disloziert sind, zu requirieren (Art. 66 Abs. 2
NV.). Der verschiedene Sprachgebrauch, die Verwendung der
eigenen, die Requisition der fremden Truppen führt schon darauf
hin, daß damit die Verschiedenheit der Stellung gegenüber den
eigenen und den fremden Truppen zum Ausdruck gelangen sollte.
Es erscheint nicht zulässig, in beiden Fällen eine wirkliche Kom-
mandogewalt des Landesherren zu leugnen und ihn überhaupt nur
auf das Ersuchen zu polizeilichen Zwecken zu beschränken:). Viel-
mehr ergibt sich aus der Verfassungsbestimmung, daß dem Landes-
herren gegenüber seinen eigenen Truppen ein wirkliches Kommando
eingeräumt werden sollte, allerdings lediglich für bestimmte Zwecke,
nämlich für solche polizeilicher Natur. Bedarf hierzu der Landes-
herr militärische Hilfe, so kann er seinen Truppen den Befehl zum
Einschreiten geben, die anderen in seinem Gebiete stehenden Reichs-
truppen muß er darum ersuchen. Doch ist anzuerkennen, daß es
7) So Brockhaus a. a. O. S. 106ff. Dagegen mit Recht
Laband im Archiv für öffentl. Recht Bd. 3, S. ö15 ff.