Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

612 Das Verwaltungsrecht. 8 214 
Dabei war es freilich bis in die neueste Zeit zwischen der 
Regierung und dem Landtage streitig, ob als Etatsüberschreitung 
nur Mehrausgaben über die einzelnen Kapitel und Titel des 
Etatsgesetzes oder auch solche über die dem Etatsgesetze zu Grunde 
liegenden und zur Prüfung des Landtages gelangenden Spezial- 
etats und Nachweisungen zu betrachten seien. Das Gesetz über die 
Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer vom 
27. März 1872 § 19) hat diese Streitfrage nunmehr in letzterem 
Sinne entschieden, indem es bestimmt: „Etatsüberschreitungen 
im Sinne des Art. 104 der Verfassungsurkunde sind alle Mehr- 
ausgaben, welche gegen die einzelnen Kapitel und Titel des nach 
Art. 99 festgestellten Staatshaushaltes oder gegen die von der 
Landesvertretung genehmigten Titel des Spezialetats stattgefunden 
haben, soweit nicht einzelne Titel in dem Etat als übertragbar 
ausdrücklich bezeichnet sind, und bei solchen die Mehrausgaben 
bei einem Titel durch Minderausgaben bei anderen ausgeglichen 
werden. Unter dem Titel eines Spezialetats im Sinne dieses 
Gesetzes ist jede Position zu verstehen, welche einer selbständigen 
Beschlußfassung der Landesvertretung unterlegen hat und als 
Gegenstand einer solchen im Etat erkennbar gemacht worden st. 
Eine Nachweisung der Etatsüberschreitungen und der außeretats- 
mäßigen Ausgaben ist jedesmal im nächsten Jahre, nachdem sie 
entstanden sind, den Häusern des Landtages zur nachträglichen 
Genehmigung vorzulegen“. 
Als Ergebnis dieser Untersuchungen über das Wesen des 
Etats stellt sich also heraus, daß die vorwiegende Bedentung des 
Etats nicht auf staatsrechtlichem, sondern auf staatswirtschaft- 
lichem Gebiete liegt. Er ist ein Voranschlag der Einnahmen 
und Ausgaben des kommenden Jahres, ohne daß diese Einnahmen 
und Ausgaben ihre rechtliche Grundlage in dem Etat fänden- 
Damit ist die Bedeutung des Einnahmeetats erschöpft, er ist 
also rechtlich bedeutungslos. Dasselbe gilt von den rechtlich not- 
wendigen Ausgaben, da auch sie unabhängig vom Etat geleistet 
werden müssen. Im übrigen ist der Ausgabeetat unter der Voraus- 
setzung, daß er sich mit der bestehenden Rechtsordnung in Ueber- 
einstimmung befindet, und soweit diese Uebereinstimmung vol- 
— 
17) GS. 1872, S. 278.
	        
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