9215 Das Nichtzustandekommen des Etats. 610
Dies mag genügen, wenn das Etatsgesetz bloß derart ver-
zögert wird, daß einige Monate des neuen Etatsjahres ohne
Etat gewirtschaftet werden muß. Keine Regierung kann aber
die Verwaltung längere Zeit mit den rechtlich notwendigen Aus-
gaben allein führen. Mit Recht ist schon vor mehreren Jahr-
zehnten die Frage aufgeworfen worden, ob denn der Staat von
Rechts wegen nur alimenta naturalia zu fordern habe, und,
war darüber hinausgehe, von der Willkür einiger seiner Glieder
abhängen solles). Insbesondere ist dies ein Ding der Unmöglich-
keit, wenn etwa mehrere Jahre hinter einander kein Etatsgesetz
erlassen werden könnte.
Da die Rechtsgültigkeit der Ausgaben überhaupt nicht durch
den Etat bedingt ist, so würden auch andere als rechtlich notwendige
Ausgaben in diesem Falle von den Behörden mit Rechtsver-
bindlichkeit geleistet werden können. Es könnte sich nur darum
handeln, ob und inwieweit die staatlichen Organe sich durch der-
artige Zahlungen, zu denen sie weder durch die bestehende Rechts-
ordnung noch durch ein Etatsgesetz angewiesen sind, verantwortlich
machen würden. Wäre ein Etatsgesetz erlassen worden, so müßten
solche Zahlungen gegen den betreffenden Beamten zum Defekt
gestellt werden, da der Beamte gegen die im Etat enthaltene
Anweisung, also schuldhafter Weise gegen die ihm erteilte In-
struktion gehandelt hat. Die Haftbarkeit der Beamten beruht
in diesem Falle auf ihrer instruktionswidrigen Handlungsweise.
Allein eine solche setzt doch immer voraus, daß überhaupt eine
Instruktion ergangen ist. Dies ist aber nicht der Fall, wenn
kein Etatsgesetz zustande kam. Es kann daher von einer Haftbarkeit
der Beamten lediglich um deswillen, weil sie ohne etatsmäßige
Anweisung rechtlich nicht notwendige Ausgaben für den Staat
geleistet haben, nicht die Rede sein. Das Verhältnis der Be-
hörden beim Zustandekommen und beim Nichtzustandekommen des
Etats ist genau dasselbe wie das eines Beamten, der für sein
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bindend ohne Rücksicht auf das Zustandekommen des Etats. Die Behörden
hätten daher nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die rechtlich
notwendigen Ausgaben zu leisten auch ohne etatsmäßige Grundlage. Da-
gegen müßten alle nicht auf gesetzlichen Titeln beruhenden Ausgaben.
unterbleiben.
5) Fricker a. a. O. S. 657.