Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

650 Das Verwaltungsrecht. 8219 
Der Unterschied zwischen beiden besleht au und für sich nur darin, 
daß die ersteren die privatrechtliche Rechtsfähigkeit besitzen, die 
letzteren aber nicht. Die Religionsgesellschaften mit Korporations- 
rechten sind aber auch anderweit innerhalb der staatlichen Rechts- 
ordnung bevorzugt. So genießen sie nach § 166 StrB. einen 
erhöhten strafrechtlichen Schutz. 
Aus der Klasse der Gesellschaften mit Korporationsrechten 
scheiden wieder als eine besondere Art aus die vom Staate 
ausdrücklich und öffentlich aufgenommenen. Nach dem AL#. II, 
11 §8 17—19 haben sie die Rechte privilegierter Korporationen, 
ihre gottesdienstlichen Gebäude heißen Kirchen und werden als 
privilegierte Gebäude des Staates angesehen, die bei ihnen zur 
Feier des Gottesdienstes und zum Religionsunterrichte bestellten 
Personen haben mit anderen Bcamten im Staate gleiche Rechte. 
Worin das Wesen der öffentlich ausgenommenen Religionsgesell- 
schaft besteht, ist bestritten. Die eine Richtung sucht es zu erklären 
aus dem Zweckmomente, indem man ausführt entweder, daß diese 
Kirchen dieselben Zwecke verfolgten, welche der Staat fördere oder 
anstrebes), oder, daß sie durch Rechtssätze ihrem Zwecke nach dem 
Staate als gleichwertig gesetzt seiens), oder endlich, daß ihnen 
kraft öffentlichen Rechts dem Staate gegenüber die Erfüllung ihrer 
Zwecke obliegeio). Allein mit Recht ist dieser Auffassung bereits 
entgegengehalten worden, daß in dem Zweckmomente kein juristisches 
Kennzeichen liege, sondern daß es nur den Grund dafür angebe, 
weshalb der Staat die Kirchen als öffentliche Korporationen oder 
Anstalten des öffentlichen Rechts behandelem). Ebensowenig kann 
in den Privilegien oder besser in der bevorzugten Rechtsstellung 
der öffentlich ausgenommenen Religionsgesellschaften vor anderen 
ihr wesentliches Merkmal gesehen werden. Denn einerseits lassen 
sich jene Sonderrechte nicht auf eine einheitliche Grundlage zurück- 
führen, andererseits stehen Sonderrechte, wenn auch in geringerem 
8) Bgl. Zeller, Staat und Kirche, Leipzig 1873, S. 74; Golther, 
Der Staat und die katholische Kirche im Königreich Württemberg, Stuttgart 
1874, S. 19,; R. v. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik Bd. 2, 
S. 207; H. v. Schulze-Gaevernitz, Pr. StR. Bd. 2, S. 484. 
5) Sohm in der Ztschr. für Kirchenrecht Bd. 11, S. 166ff. 
10) Rosin, Recht der öffentlichen Genossenschaft, S. 35 ff. 
11) So Hinschius bei Marquardsen a. a. O. S. 251.
	        
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