Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

l 219 Der Staat und die Religionsgesellschaften überhaupt. 659 
deren Mitglieder sämtlich vom Könige ernannt sind. Da diese 
Voraussetzung für die evangelische Kirche im allgemeinen bis 
letzt zutrifft, indem die Mitglieder des Oberkirchenrats und der 
Konsistorien sämtlich vom Könige ernannt werden, so ist hier 
das staatliche Einspruchsrecht praktisch bedeutungslos. Es findet 
nur statt, soweit das Anstellungsrecht ausnahmsweise durch andere 
Organe, wie die Mediatkonsistorien der Stadt Stralsund oder 
der Stolberger Fürsten geübt wird. 
Die Novelle vom 21. Mai 1874 hat für den Fall der Amts- 
erledigung, wenn ein Geistlicher wegen unbefugter Amtshand- 
lungen in diesem Amte rechtskräftig verurteilt ist, dem bloß 
Präsentationsberechtigten bei Strafe die Pflicht zur Besetzung 
der Stelle und die Sorge für die Stellvertretung unmittelbar 
übertragen. Ist ein Präsentationsberechtigter nicht vorhanden, 
oder kommt er seiner Pflicht innerhalb bestimmter Frist nicht 
nach, so geht das Wahlrecht auf die von der Staatsbehörde zu 
berufende Pfarrgemeinde über. Mit der Wiederherstellung ge- 
ordneter Beziehungen zwischen Staat und Kirche sind diese Be- 
stimmungen bedeutungslos geworden, und die auf Grund ihrer 
der katholischen Kirche aufgedrungenen Geistlichen (sog. Staats- 
pfarrer) sämtlich zurückgetreten. Das Gesetz vom 31. Mai 188220) 
untersagt daher die fernere Ausübung dieser Rechte seitens der 
Präsentationsberechtigten und der Gemeinden, ohne die betreffen- 
den Vorschriften förmlich aufzuheben. 
Neben diesen allgemeinen Normen gehen die besonderen Be- 
stimmungen einher, welche dem Staate eine Einwirkung auf die 
Besetzung gewisser Stellen innerhalb der evangelischen und der 
katholischen Kirche einräumen. Darauf wird in den folgenden 
Paragraphen zurückzukommen sein. 
Die Schranken in der Handhabung der kirchlichen Disziplin 
nicht nur über die Geistlichen, sondern über alle Kirchendiener, 
d. h. über alle diejenigen, welche sich in einem Dienstverhältnisse 
zu einer Kirche befinden, waren geregelt durch das Gesetz vom 
12. Mai 1873 über die kirchliche Disziplinargewalt und die Er- 
richtung des königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegen- 
heitenn). Auch dieses Gesetz hat erhebliche Veränderungen erfahren 
— — 
26) GS. 1882, S. 307. 
27) GS. 1873, S. 198. Einführung in Lauenburg durch Gesetz vom 
f Februar 1878 — GS. 1878, S. 100 —. 
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