8220 Der Staat und die evangelische Kirche. 673
Nichtanwendung oder unrichtiger Anwendung des bestehenden
Rechts oder wesentlicher Mängel des Verfahrens binnen zwei
Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zulässig.
Durch Kirchengesetz vom 17. und Staatsgesetz vom 18. Mai
189519) ist aus Berlin und den Vororten ein einheitlicher Stadt-
synodalbezirk gebildet und die gleiche Einrichtung von Parochial-
verbänden auch für andere größere Orte vorgesehen. Diese Gesamt-
verbände haben eigene juristische Persönlichkeit, verteilen die Um-
lagen unmittelbar gleichmäßig auf alle Gemeindemitglieder der
zugehörigen Gemeinden und gewähren daraus den hilfsbedürftigen
Gemeinden Zuschüsse, können auch eigene Anleihen aufnehmen.
Kirchengesetze, durch welche neue Ausgaben zu landeskirch-
lichen Zwecken bewilligt werden, und die endgültige Vereinbarung
zwischen der Generalsynode und der Kirchenregierung über die
Unterverteilung auf die Provinzen bedürfen, bevor sie dem Könige
zur Sanktion vorgelegt werden, nicht bloß der sonst vorgeschriebenen
Erklärung, sondern der Zustimmung des Staatsministeriums,
welche bei der Verkündung zu erwähnen ist (Art. 15 a. a. O.).
Dasselbe gilt von Kirchengesetzen, durch welche die Einkünfte des
Kirchenvermögens oder der Pfarrpfründen zu Beiträgen für kirch-
liche Zwecke herangezogen werden. Auch dürfen diese Kirchen-
gesetze die Pfründeninhaber in ihren schon vor Erlaß des Gesetzes
vom 3. Juni 1876 erworbenen Rechten nicht schmälern und müssen
die Heranziehung in den einzelnen Kategorien und Kirchenkassen
nach gleichen Prozentsätzen anordnen (Art. 17 a. a. O.).
Die auf allgemeinen gesetzlichen Vorschriften oder auf
notorischer Orts= oder Bezirksverfassung beruhenden persönlichen
und dinglichen Abgaben und Leistungen genießen nach der
Kabinettsorder vom 19. Juni 18360) das Vorrecht des Ver-
waltungszwangsverfahrens, welches von der Staatsbehörde zu voll-
strecken istn).
In den neuen Provinzen ist, abgesehen von den reformierten
Gemeinden der Provinz Hannover, die eine rein synodale Ver-
fassung haben, das Kirchenregiment über die evangelische Kirche
als unlösbarer Bestandteil der Staatsherrschaft ebenfalls auf den
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19) GS. 1896, S. 176.
20) GS. 1836, S. 198.
21) Ueber die Zulässigkeit des Rechtsweges vgl. 8§ 143.
Vornhak Preußisches Staatsrecht. III. 2. Aufl. 43