690 Das Verwaltungsrecht. 8222
prozesse, sondern im Verwaltungszwangsverfahren eingezogen.
Jeder Jude gehört von Rechtswegen der für seinen Wohnsitz be—
stehenden Synagogengemeinde an. Für den Austritt gelten
dieselben Grundsätze wie für alle mit Korporationsrechten aus—
gestatteten Religionsgemeinschaften. Daneben ist jedoch durch das
Gesetz vom 28. Juli 1876 betreffend den Austritt aus den
jüdischen Synagogengemeindem) jedem Juden ohne Austritt aus
der jüdischen Religionsgemeinschaft der Austritt aus der bis-
herigen Synagogengemeinde wegen religiöser Bedenken gestattet.
Der auf diese Weise ausgetretene hat aber noch in gewissen Um-
fange zu den Lasten dieser Gemeinde beizutragen. Diese fallen
zum Teil fort durch einen nachträglichen Austritt aus dem
Judentume.
In den alten Provinzen ist für die jüdischen Kultusverhält-
nisse maßgebend das Gesetz vom 23. Juli 1847 über die Ver-
hältnisse der Judens) §§ 35 ff. Dessen Hauptgrundsätze sind
folgende:
Die Juden sollen nach Maßgabe der Orts= und Bevölkerungs-
verhältnisse dergestalt in Synagogengemeinden oder Judenschaften
vereinigt werden, daß alle innerhalb eines Synagogenbezirks
wohnenden Juden einer solchen Gemeinde angehören. Die Bildung
und Abänderung der Synagogenbezirke erfolgt durch die Regie-
rungen nach Anhörung der Beteiligten. Die einzelnen Gemeinden
erhalten in Bezug auf ihre Vermögensverhältnisse die Rechte
juristischer Personen.
Die äußere Gemeindeverfassung ist von Staatswegen geregelt.
Jede Gemeinde hat zwei Organe, den Vorstand und die Reprä-
sentanten. Letztere werden von den volljährigen und unbe-
scholtenen Gemeindegliedern, die selbständig und mit ihren Abgaben
nicht im Rückstande sind, der Vorstand von den Repräsentanten
unter Leitung eines Regierungskommissars, die Vorstandsmit-
glieder unter Bestätigung der Regierung gewählt. Der Vorstand
hat die Vertretung nach außen, die Repräsentaunten üben die Auf-
sicht und haben zu gewissen Verwaltungshandlungen mitzuwirken.
Die staatliche Aufsicht wird durch die Regierungen geführt-
Diese haben die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu beauf-
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1) GE. 1876, S. 353.
„) GS. 18147, S. 263.