694 Das Verwaltungsrecht. 82283
Unterrichtsanstalten durchgängig mit Klöstern und geistlichen An—
stalten verbunden waren, galt für das Volksschulwesen überall
der Satz c. 3 X. de vita et honest. cleric. 3,1: „ut quisque presbytcr,
qui plebem regit, clericum habeat, qui secum cantet et lectionem
legat et qui possit scholas tenere“. Das Unterrichtswesen bildete
gleich anderen, über den bloßen Rechtsschutz hinausgehenden Kultur-
zwecken keine Aufgabe des Staates, sondern einen Zweig der großen,
dem Staate nicht untergeordneten, sondern nebengeordneten kirch-
lichen Verwaltung. Es ist daher kein Gegenstand des Staatsrechts,
sondern des Kirchenrechts.
Durch die Reformation wurde zunächst nur das Verhältnis
des Staates zur Kirche ein anderes. Die Kirche verlor ihre
Selbständigkeit und wurde dem Staate einverleibt, alle lirchliche
Verwaltung wurde Staatsverwaltung. Mittelbar wurde hierdurch
auch die Schule betroffen.
Das Schulwesen wurde deshalb, weil es bisher ein kirchliches
gewesen war, und der Staat die gesamte kirchliche Verwaltung über-
nommen hatte, zu einem staatlichen, ohne daß der Charakter des
Schulwesens als eines Zweiges der kirchlichen Verwaltung irgend
eine Veränderung erfuhr. Das Schulwesen wird daher durch die kirch-
lichen Ordnungen, in Brandenburg zuerst durch die Visitations-
ordnung von 15732) geregelt. Ferner gehört das Lehrpersonal
zu dem kirchlichen. Auf dem Lande ist der Küster, also ein
kirchlicher Beamter, auch der Lehrer, die Schulaufssicht führen
der Pfarrer und die geistlichen Inspektoren. Bei den städtischen
Knaben= und Mädchenschulen, von denen erstere sämtlich Latein-
schulen sind, besteht zwar ein besonderes, von Stadtrat und Pfarrer
bestelltes Lehrpersonal, Schulaussicht und höhere Verwaltung fallen
aber auch hier mit der kirchlichen zusammens). Die Unterhaltung
der Schulen endlich erfolgt aus kirchlichen Mitteln, außer dem Schul-
gelde und milden Gaben. Stadtgemeinden und Gutsherren haben
auf die Schulen einen Einfluß nur als Kirchenpatrone, das Schul-
patronat bildet einen Bestandteil des Kirchenpatronats. Daß die
Schulen sämtlich einer bestimmten Konfession angehören mußten,
verstand sich bei ihrem kirchlichen Charakter und der konfessionellen
Geschlossenheit der deutschen Gebiete von selbst. Schon das
2) Mylius, C. C. M. I1, 1 Nr. 7.
5) IJsaacsohn, Gesch. des preuß. Beamtentums Bd. 1, S. 262.