Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

l 159 Der Organismus der Gerichtsbehörden. 89 
und ministeriellen Erlassen überlassen). Außerdem ist zum Richter- 
amte befähigt jeder ordentliche öffentliche Lehrer des Rechts an 
einer deutschen Universität. Reichsrechtlich ist die Möglichkeit offen 
gelassen, daß der zum praktischen Vorbereitungsdienste oder zum 
Richteramte in einem Bundesstaate Befähigte zu einer ent- 
sprechenden Stellung in einem anderen Bundesstaate ausgenommen 
wird. Die Ernennung der Richter erfolgt durch den König auf 
Lebenszeit (88 2—6 GV., 88 1—7 preuß. A.). 
Für die Ausübung der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit 
bestellt das Gerichtsverfassungsgesetz die Amtsgerichte, Landgerichte, 
Oberlandesgerichte und das Reichsgericht. Erstere drei sind richter- 
liche Behörden der Einzelstaaten, das Reichsgericht, in dem die 
preußische Gerichtsverfassung erst ihren Abschluß findet, eine 
richterliche Behörde des Reiches. Diesen Gerichten ist im wesent- 
lichen auch die freiwillige Gerichtsbarkeit übertragen. 
Ueber die ordentlichen Gerichte im einzelnen ist nun folgendes 
zu bemerken: 
1. Amtsgerichte. Den Amtsgerichten stehen Einzelrichter 
vor. Auch wenn ein Amtsgericht mit mehreren Richtern besetzt ist, 
erledigt jeder von ihnen die seiner Abteilung überwiesenen Ge- 
schäfte als Einzelbeamter. Einem der mehreren Richter wird von 
der Landesjustizverwaltung die allgemeine Dienstaufsicht über- 
tragen, die sich aber nicht über richterliche Beamte erstreckt. Nur 
das Amtsgericht Berlin-Mitte hat nach dem Gesetze vom 10. April 
18928) einen eigenen Präsidenten mit Dienstaufsicht auch über 
die richterlichen Beamten. Bei den Amtsgerichten werden Schöffen- 
gerichte gebildet, bestehend aus einem Amtsrichter als Vorsitzenden 
und zwei Schöffen, zwecks Verhandlung und Entscheidung leichterer 
Strafsachen. Das Amt der Schöffen, die gleiches Stimmrecht wie 
der Amtsrichter haben, ist ein Ehrenamt. Die Befähigung zum 
Schöffenamte, dessen Voraussetzung nur Reichsangehörigkeit, nicht 
Staatsangehörigkeit ist, und das Verfahren bei Auswahl der 
— — 
7) Vgl. das durch § 1 des preußischen Ausführungsgesetzes aufrecht 
erhaltene Gesetz vom 6. Mai 1869 — GS. 1869, S. 656 — und die 
allgemeine Verfügung (Prüfungsordnung) vom 17. Juni 1913 — Jlll. 
1913, S. 194. Vgl. im übrigen Daude und Wolff, Die Ordnung 
bes Rechtsstudiums in Preußen, 3. Aufl., Halle 1908. 
S) GS. 1892, S. 77.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.