8169 Der Organismus der Gerichtsbehörden. 93
Zum Geschäftskreise sämtlicher Oberlandesgerichte gehört die
Entscheidung auf Berufungen und Beschwerden gegen die
Urteile und Beschlüsse der Landgerichte in Zivilsachen, die
Entscheidung auf Beschwerden gegen Beschlüsse der Land-
gerichte in reichsrechtlichen Strassachen und die freiwillige
Gerichtsbarkeit erster Instanz in Lehns-, Fideikommiß- und
Stiftungssachen. Dagegen sind dem Kammergerichte ausschließlich
für das ganze Staatsgebiet vorbehalten die Entscheidung über
Revisionen gegen Urteile der Strafkammern in der Berufungs-
instanz unbedingt, sowie gegen Urteile der Strafkammern in erster
Instanz und über Beschwerden gegen Entscheidungen der Straf-
kammern, wenn es sich um eine nach Landesrecht strafbare Handlung
bei der Untersuchung handelt, und endlich gewisse Beschwerden in
Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (88 119—124 GVW., § 9
EG. zum G., 88 47—57 preuß. AussG.).
4. Das Reichsgericht. Es wird mit einem Präsidenten
und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räten
besetzt, welche der Kaiser auf Vorschlag des Bundesrates ernennt.
Persönliches Erfordernis für die Mitglieder des Reichsgerichts ist
außer der Befähigung zum Richteramte die Vollendung des
35. Lebensjahres. Das Reichsgericht zerfällt in Zivil- und Straf-
senate, deren Anzahl der Reichskanzler bestimmt. Die Verteilung
der Mitglieder und Geschäfte auf die einzelnen Senate erfolgt in
derselben Weise wie bei den Oberlandesgerichten, jedoch gehören
zum Präsidium die vier ältesten Mitglieder des Gerichts. Die
Senate des Reichsgerichts entscheiden in der Besetzung von sieben
Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. Zur Zuständigkeit des
Reichsgerichts gehört in Zivilsachen die Entscheidung über die
Revision und Beschwerde gegen Urteile und Beschlüsse der Ober-
landesgerichte, in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Ent-
scheidung gewisser Beschwerden, in Strafsachen die Entscheidung
erster und letzter Instanz wegen Hochverrat oder Landesverrat gegen
en Kaiser oder das Reich, sowie die Entscheidung über die Revision
gegen Urteile der Strafkammern in erster Instanz, soweit nicht die
Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist, und gegen
Urteile der Schwurgerichte (88 125—127, 132—141 GVG.).
Das Gerichtsverfassungsgesetz hat den Gerichtsorganismus für
die Ausübung der streitigen Gerichtsbarkeit im Inlande in er—